abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
opulenten Glasfassaden gemacht, sondern an den Tischen diverser Lunch-Hot-Spots auf der Ehrenstraße. Da werden Deals eingestielt und Karrieren vernichtet. Alles in einem Abwasch bei einem leichten Arbeitsessen zwischen Flusskrebs-Consommé und Blutwurstkartoffeltörtchen auf Brunnenkressebett mit Himbeeressig. Ein eventuell auftretender bitterer Nachgeschmack, den ein rudimentär vorhandenes Gewissen hervorrufen könnte, wird mittels eines aus den schottischen Highlands importierten Mineralwassers zu zehn Euro der halbe Liter weggespült.
Schon sah ich mich an meinem ehemaligen Stammplatz, Fenster links, in der Bentobox sitzen und frittiertes Sesamhuhn mit Erdnusssauce essen und dann … dann würde garantiert an einem von 365 Tagen des Jahres der Knipser dort vorbeilaufen. Und dann? Tja, dann kann ich an meinem Huhn mit Erdnusssauce ersticken oder so tun, als hätte ich ihn nicht gesehen. Aber was, wenn er mich auch gesehen hat und stehen bleibt? Dann kann ich immer noch an einem Stück Huhn ersticken und so tun, als hätte ich ihn nicht gesehen. ABER WAS, WENN ER AN DIE SCHEIBE KLOPFT? Herrgott nochmal, Maggie, das ist doch piepegal, lass ihn doch!
Ich drehte den Wasserhahn auf eiskalt. Entspannung ist einfach nichts für mich, da komme ich nur auf dumme Gedanken.
Als ich bibbernd aus der Dusche stieg, hörte ich, wie unten die Haustür aufgeschlossen wurde. Eingewickelt in mein Badetuch, flitzte ich auf Zehenspitzen über den Flur.
Auf halber Strecke trat ich in etwas Matschiges. KATZENKOTZE! Leise fluchend hüpfte ich auf einem Bein in mein Schlafzimmer.
Dr. Thoma saß auf meiner neuen weißen, teuren Bluse, die ich mir zurechtgelegt hatte, und würgte sich einen Fellballen aus dem Hals. Ein großer, ekelhafter Fleck seines Mageninhaltes prangte bereits am Kragen. Wie Boris Becker in seinen besten Zeiten hechtete ich in Richtung Chaiselongue. Aber das Unglück war bereits geschehen.
»Du Saboteur!«
Herrgott! Dieser Kater konnte in zehn Minuten mehr Schaden anrichten als die Amerikaner im Irak in drei Wochen. Dr. Thoma würgte unverdrossen weiter, als ich ihm die Bluse unterm Hintern wegriss und damit ins Bad rannte, um den Fleck auszuwaschen. Die spontane Selbstentzündung meiner Haare hätte ich besser weggesteckt.
Der Fleck hielt sich hartnäckig. Ich schrubbte und schrubbte, aber er blieb, so wie der geheimnisvolle Blutfleck im Gespenst von Canterville, den man nicht wegwaschen kann.
»Ich bringe dich um, du Mistvieh.«
Der Kater kam ins Bad, nahm ungerührt auf dem Badvorleger Platz und leckte sich die Pfoten. Wütend über so viel Ignoranz, warf ich die klatschnasse Bluse nach ihm. Er sprang auf, ganz von dem nassen Stoff eingehüllt, und raste in Panik aus dem Bad. Nach ein paar Sekunden hörte ich die Katzenklappe in der Terrassentür scheppern.
Zurück im Schlafzimmer, kontrollierte ich Jeans und Jackett. Kein Fleck. Geruchstest ebenfalls negativ. Ich zerrte alle Oberteile aus dem Kleiderschrank. Ich zog Jeans und Stiefel an und probierte vor dem Spiegel alle Oberteile, die ich hatte, aber alles sah entweder labberig oder trutschig aus. Das einzige schwarze T-Shirt, das noch sauber war, hatte nicht dasselbe Schwarz wie mein Jackett. Da hätte auch ein Collier der Königin von England nichts mehr rausreißen können. Der Zeiger der Uhr schritt munter voran. Ich war fünf vor Panik und drei vor Heulkrampf. Mein Schlafzimmer hat 25 Quadratmeter, warum muss der Kater ausgerechnet auf das edle Stück reihern? Es gibt hier einen Teppich, meinen Dreckwäschehaufen in der Ecke, und ich hätte heute nicht mal was dagegen gehabt, wenn er mir aufs Kopfkissen gekotzt hätte. Lauter schöne Orte, um seinen Überdruck abzuladen. Aber nein, für Dr. Thoma muss es feinste ägyptische Baumwolle sein!
»Entschuldigung, bitte.«
Die Tür zu meinem Schlafzimmer stand offen und Nikolaj, in der Hand meinen nassen weißen Lappen, lugte ins Zimmer. »Ist das deins?«
»Ja. Schmeiß es einfach auf den Boden.«
Nikolaj trat einen Schritt ins Zimmer und schaute mich lange prüfend an, dann wanderte sein Blick zum Dreckwäschehaufen und dem Berg von Oberteilen, den ich aufs Bett geworfen hatte. »Schöne Stiefel«, sagte er, »aber das Schwarz korrespondiert nicht.«
»Erzähl mir was Neues, Baryshnikov.«
»Besuchow, ich heiße Nikolaj Andrejewitsch Besuchow. Du kannst Nikolaj sagen. Das ist nicht schwer.« Er ließ die Bluse auf den Boden fallen und ging.
Ich hatte keine Zeit, mich um die Befindlichkeit
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