abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
Golferwitz der Woche hatte.
Er hatte mir den Eimer längst aus der Hand genommen und den Inhalt auf den Rasen gekippt. »Da! Wunderbar. Vielen Dank. Ich glaube, das ist sogar meiner.«
Er strahlte den Golfball mit dem goldgeprägten ›H‹ an und zog mit federnden Schritten durch den Garten ab. Kurz vor dem Jägerzaun drehte er sich um und rief: »Ach übrigens, das Haus steht ab heute zum Verkauf. Kajo Kostnitz hat mich gebeten, das in die Hand zu nehmen. Falls ich Interessenten habe, rufe ich Sie wegen der Besichtigungstermine an.«
»Vergessen Sie meinen Besuchstermin nicht.«
»Vermutlich klappt es erst im Juni wieder. Ich kümmer’ mich drum.«
Mit einem eleganten Satz sprang er über den Zaun und verfügte sich in seine Freizeitaktivitäten. Da ging er hin, der Herr Staranwalt, Empfehlung von Winnie Blaschke.
Mist. Herr Matti wird traurig sein, wenn ich morgen nicht komme. Aber dem Rettich absagen? Den Termin verschieben? Auf gar keinen Fall. Ich zündete mir die vermutlich hundertste Zigarette des Tages an und ließ mir die warmen Sonnenstrahlen auf meine nackten Füße scheinen. Das Telefon klingelte. Ich ging ins Haus und nahm ab: »Hallo?«
»Maggie?«
»Ja, wer denn sonst, Kajo.«
»Hätte ja sein können, dass Nikolaj ran geht.«
»Du weißt von Nikolaj?«
»Na klar, Winnie hat mich gefragt, ob er im Haus wohnen kann, übergangsweise, wo doch jemand auf Dr. Thoma aufpassen musste, und ich habe gedacht, warum soll er nicht? Ist doch genug Platz, oder stört er dich?«
»Ach, nee, ja. Ach, schon in Ordnung.«
»Winnie fand es eine prima Idee. Er hat gesagt, dass du dich manchmal in dem großen Haus fürchtest. Kann ich verstehen. Der Kasten ist alt und knirscht an allen Ecken und Kanten.«
»Ich und mich fürchten? Also, Kajo, das ist mal wieder typisch Winnie, ich hab’ ihm nur erzählt, dass ich mal nachts Geräusche gehört habe«, wiegelte ich ab.
»Wie ist er denn?«
»Wer?«
»Nikolaj. Wie ist er? Winnie schwärmt ja nur rum. Ich brauch’ eine objektive Aussage. Ist er mehr so Strawinsky oder mehr Tschaikowsky?«
»Und das willst du jetzt von mir wissen?«
»Na los, Strawinsky oder Tschaikowsky. Ein Grieg oder Mahler wird er wohl nicht sein.«
»Also, nett und ganz hübsch. Ein Tänzer. Hab’ noch nicht viel mit ihm gesprochen. Winnie und er sind dauernd auf der Rolle. Ich kenn’ mich mit Klassik nicht aus«, sagte ich betont munter.
»Chopin? Ist er etwa eine Tucke?«
»Tucke? Nee, kann man so nicht sagen.«
»Dann schau’ ich ihn mir eben selber an. Warum ich eigentlich anrufe: Ich habe Herzig beauftragt, das Haus zu verkaufen. Ich wollte dir das nur erzählen. Ich dachte, dein Souterrain müsste bald fertig sein. Ich hoffe, das bringt dich nicht in Schwierigkeiten? Es wird auch sowieso noch ein paar Wochen dauern. So ein Haus verkauft sich ja nicht an einem Tag.«
»Das wird schon alles passen.« Na klar, vor allem, weil ich ab morgen wieder in Köln sein werde. Dann kann das Haus schon übermorgen verkauft werden. Warum hat Kajo es plötzlich so eilig, sein Elternhaus loszuwerden?
»Wann kommst du her?«
»Weiß noch nicht genau. In ein paar Tagen vielleicht. Ich spiele in der Jahrhunderthalle, bei der Meisterschüler-Auswahl, irgendwann Mitte Juni. Bis dahin bin ich da.«
»Okay. Wir sehen uns dann. Du hast ja einen Schlüssel. Und Achtung – die Küche ist jetzt aufgeräumt. Der Russe ist ordentlich.«
»Na, dann ist er auf gar keinen Fall Chopin. Bis dann. Drück mir die Daumen für die letzten Prüfungen.«
»Mach’ ich. Brich dir nicht die Finger, Pianomän.«
Kajo hatte schon aufgelegt.
Da war es also amtlich: Das Haus wird verkauft. Und wer erfährt es als Letzte? Die Bewohnerin! Alle quatschen andauernd miteinander, nur mit mir redet keiner. Nur über mich hinweg. Alle Entscheidungen erfahre ich als Allerletzte. Egal, ob es um ein Quartier für den Russen geht oder den Hausverkauf oder den Termin für einen Besuch im Knast. Alles schon geplant und sofort in die Tat umgesetzt. Ach, hoppla, wir haben vergessen, Maggie Bescheid zu sagen.
Na, da kann ich ja getrost wieder nach Köln ziehen, es wird eh keiner merken. Mit Wilma bin ich fertig, Winnie hat seinen Russen, und Kajo ist mit seinem Steinway Flügel verheiratet. Der wird in absehbarer Zeit die Konzertsäle der Welt erobern und in Luxushotels wohnen. Und Oma Blaschke hat ihren zukünftigen Schwiegersohn schon kennengelernt und offensichtlich für gut befunden, sonst hätte sie längst angerufen.
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