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abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

Titel: abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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eine.«
    Der halbe Inhalt meiner Handtasche lag vor meinen Füßen. Ungläubig starrte ich darauf. Ich fiel ich auf die Knie und klaubte meinen Kram vom Boden auf. In meinem Kopf drehte sich alles, vor allem eine Tonspur, die nicht enden wollend »Rettich, das darf nicht wahr sein«, vor sich hinplärrte.
    Herr Munch, bitte malen Sie jetzt!
    Eine Angestellte aus der Bahnhofsbuchhandlung kam und stellte den Zeitungsständer direkt vor meine Nase. Ich musste die Schlagzeile schon wieder lesen: KÖLNS BEKANNTESTER FILMTYCOON RASMUS REITMEIER TOT IM COMER SEE.
    Irgendwas muss wohl mit meinem Gesicht nicht in Ordnung gewesen sein, denn die Frau fragte fürsorglich: »Is’ alles in Ordnung mit Ihnen? Se sinne so blass, Liebschen.«
    »Ich bin nicht blass … ich bin geliefert.«
    Entschuldigen Sie bitte die Bild- und Tonstörung im Sendebereich Maggie Abendroth. Das Testbild, bitte.

10
    Eine halbe Stunde später saß ich wieder im ICE erster Klasse. Ein Umtausch meines Tickets für die zweite Klasse war, trotz meiner Tränen, leider nicht mehr möglich gewesen. Mir schlotterten die Knie, meine Zähne klapperten, mir war kalt. Mit der Zeitung konnte ich mich nicht zudecken, denn ich musste den Express immer und immer wieder lesen. Bis Duisburg konnte ich ihn schon auswendig hersagen.
    Die Hand des Schicksals hatte dafür gesorgt, dass der Rettich vorgestern, als er noch kurz vor der Abreise vom Comer See, wo er eine Villa besaß – in Rufweite zum Anwesen von George Clooney, wie der Express sich beeilte mitzuteilen – bei einem tragischen Unfall mit seiner Scheißsegelyacht zu Tode gekommen war. Der alte Narr hatte versucht, sein Schiffchen alleine auf den Hänger zu ziehen. Dabei war eines der Stahlseile aus einer Winde gerissen, die Yacht war abgerutscht, hatte ihn mitgerissen und unter Wasser gedrückt. Als zwei Stunden später seine Familie nach ihm suchte, weil sie noch zu einem Abschiedsessen – nicht mit George Clooney – verabredet waren und er nicht erschien, fand seine Gattin, Coco Reitmeier, seine Leiche im Comer See treibend, unweit seiner privaten Anlegestelle.
    Warum bloß hat mich niemand informiert? Oder hatten sie doch? Hatte mich am Sonntag in Bad Camberg ein Anruf knapp verpasst, oder hatte Coco Reitmeier bei Wilma auf den Anrufbeantworter gesprochen? Und Wilma hat mir am Montag nichts gesagt? Würde sie mir so etwas Wichtiges nicht sagen?
    Im Durchgang zur zweiten Klasse hatte ein mexikanischer Musiker Stellung bezogen und plärrte von La Cucaracha über La Cucaracha bis hin zu La Cucaracha den halben Zug zusammen, und kein Schaffner weit und breit, der dem lausigen Gesang ein Ende setzte.
    Ich kaufte mir noch einen Mitropakaffee für grandiose 2 Euro 70. Auch als ich dem Servicemann großzügig drei Euro in die Hand drückte, fühlte er sich nicht ausreichend motiviert, dem Sänger die Luft abzudrehen, und so blieb mir nichts anderes übrig, als den nervigen Barden entweder mit körperlicher Gewalt beim nächsten Halt (Mülheim/Ruhr wäre ganz passend gewesen) persönlich zu entsorgen oder stoisch aus dem Fenster zu starren. Ich entschied mich für Aus-dem-Fenster-Starren. Der Pappbecher gab mir den nötigen Halt bis Essen Hauptbahnhof. Dann war der Kaffee alle und meine Contenance auch.
    Der Rettich war das Licht am Ende des Tunnels meines Annus Horribilis, der rettende Engel, meine Zukunft gewesen. Bis vor ein paar Tagen war ich eine Ausgestoßene, eine Pestverseuchte. Hört, hört: Schreibblockade im Endstadium, die mit den Glöckchen an den Füßen. Klingeling … Tatort-Drehbuch versaut … Klingeling … geht mir aus dem Weg … sie hat die Pest …
    Bin ich dazu verdammt, den Rest meines Lebens in Bochum zu versauern? Weit weg von allem, was Spaß macht?! Rettich, du hättest mich von dem Übel erlösen können. Und jetzt bist du tot. Von deiner eigenen Segelyacht hinterrücks gemeuchelt. Ja Herrgott noch … Pandora, mach die Büchse zu! Oder ich vergesse mich.
    Der ICE bremste sanft. Sämtliche Fahrgäste starrten mich an. Und warum auch nicht? Mir liefen die Tränen hinunter, der Express war schon ganz aufgeweicht, Wimperntusche und Druckerschwärze klebte an den weißen Manschetten von Nikolajs Hemd.
    Ein älterer Herr zückte ein Papiertaschentuch und nickte mir zu. Völlig verdattert nahm ich das Taschentuch und das damit verbundene Mitgefühl entgegen, wischte mir das Gesicht ab und beeilte mich, den Ausgang zu erreichen, bevor meine schamrote Birne platzen und die Polster der ersten

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