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abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

Titel: abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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aber nicht das ganze Bild, geschweige denn den ganzen Film und schon gar nicht den Director’s Cut.
    Eine wogende Menge Menschen … halt stopp, bitte die Szene noch mal – nasse Füße in Bier, alles dreht sich, Musik. Stranglers, laut, Peaches. Ein Bart vor meinem Gesicht? Sex mit einem Bart? Sex mit einem Kneipenwirt, der eigentlich Historiker ist?? Fachgebiet Fördertürme und Industriekultur???
    Cut! Cut! Die Szene schneiden wir raus. Ab damit in den Müll.
    Während ich durch die Wohnung strauchelte, meine Klamotten einsammelte und mich hastig anzog, fragte ich mich: Wo ist Kai-Uwe? Offensichtlich nicht hier. Das bedeutet aber, dass er zurückkommen wird. Und da will ich nicht dabei sein. Egal, was hier in der Nacht passiert ist – es ist vorbei und wird schneller vergessen sein als die Schlagzeile von gestern. Im Bad lag statt feinster ägyptischer Baumwolle mit zwei Ärmeln und Perlmuttknöpfen ein völlig verdrecktes Knäuel auf dem Fußboden, dessen Manschetten nur noch am seidenen Faden hingen. Und das Rote da? Ich roch an dem Hemd und hätte mich beinahe sofort übergeben müssen – Persico! Wie sollte ich Nikolaj das erklären? Ich beschloss, dass erst mal gar nicht, und warf das Hemd in den Mülleimer. Und als wenn all das, was meine verquollenen Augen an mein Hirn funkten, nicht genug gewesen wäre, entdeckte ich, dass Kai-Uwe mit Lippenstift eine Botschaft auf dem Badezimmerspiegel hinterlassen hatte: Hole Frühstück, mein Pfirsich! Bis gleich.
    Kai-Uwe, du hast es so gewollt! Ich rannte ins Schlafzimmer zurück, fand einen dicken grünen Filzstift auf der Fensterbank und malte dem Augenmann auf dem Plakat einen Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart.
    Egal, was letzte Nacht hier passiert ist, Hasselbrink, nenn mich nie wieder Pfirsich!
    Und außerdem küsst du immer noch wie ein Anfänger.
    Jetzt nichts wie raus hier. In der Eile konnte ich meinen BH nicht finden, zog meine Jeans an, wäre dabei fast umgefallen und knöpfte mein Jackett überm nackten Busen zu. Ich nahm meine Tasche und ließ die Wohnungstür hinter mir ins Schloss knallen. Fast hatte ich die Haustür erreicht, als ich Kai-Uwe von draußen pfeifen hörte. Schon zeichnete sich sein Umriss hinter der Milchglasscheibe der Eingangstür ab. Ich rannte ein paar Meter zurück durch den Hausflur und erreichte die Brandschutztür, die zur Kneipe führte, und hatte unendliches Glück: Sie war offen.
    In der Kneipe schlug mir der entsetzliche Gestank von Bier, Schnaps, kalten Zigarettenkippen und den Ausdünstungen aller Beteiligten der wilden Orgie entgegen, die gestern Abend ganz gesittet als Tanz in den Mai angefangen hatte. Von den Deckenlampen hingen zerrissene Girlanden und vereinzelt zerfetzte Seidenstrümpfe. Vorsichtig bahnte ich mir einen Weg durch Glassplitter, Bierlachen und umgestürzte Stühle in Richtung Toiletten. Himmel! So schlimm hatte es hier noch nie ausgesehen. In ein paar Wochen fängt die Fußballweltmeisterschaft in Japan an. Was wird erst passieren, wenn die Deutschen die Vorrunde überstehen?
    Unter meinen Stiefeln zerplatzte eine Cocktailkirsche. Ich klebte in einer eingetrockneten Pfütze Kirschlikör fest, stolperte und stieß gegen den aufgebrochenen Zigarettenautomaten. Die Frontverkleidung war aus der Verankerung gerissen. Ich spähte in den Zigarettenschacht – da waren noch zwei Schachteln Gauloises blau drin. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Ich langte in das Gerät und schaffte es, ohne einen Finger zu verlieren, die vorletzte Packung herauszufischen.
    Im Hinterzimmer schnarchte jemand. So leise wie möglich schob ich die Tür auf und sah einen Mann in Lederkluft auf einem der Tische liegen, auf seinen Augen einen schwarzen BH – meinen schwarzen BH. Seine Bikerboots standen ordentlich nebeneinander vor dem Tisch. Dafür lagen allerdings drei kaputte Stühle unter dem Tisch. Die Gestalt hielt sich noch im Schlaf an einer halbleeren Flasche Wodka fest.
    Ich dankte meinem Filmriss, dass ich nicht mehr wusste, was sich in den letzten Stunden hier abgespielt hatte, verzichtete auf die Rücknahme meines BHs und schlich ins Damenklo, öffnete das Fenster, stieg auf die Toilettenschüssel, zwängte mich durch die XS-Luke und fiel auf der anderen Seite unsanft in Kai-Uwes im Hof gestapelte Müllsäcke. Na ja, ein paar Schürfwunden an den Händen waren immer noch besser, als einem fröhlich pfeifenden Hasselbrink in die Arme zu torkeln, der offensichtlich die Situation komplett missverstanden hatte und glaubte,

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