abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
doch auch ein Teil der Idee. Oder?«
»Also gut … die Wahrheit ist – nein. Der Rettich hat’s mir abgekauft, als mir das Wasser bis zum Hals stand. Themenwechsel, Winnie. Was macht ihr beiden Hübschen heute noch?«
»Wir sind noch nicht fertig. Warum hast du mir von all dem nix erzählt?«
»Ganz einfach«, schniefte ich, »… du bist anderweitig beschäftigt. Es hat sich eben nicht ergeben. Kann ich gar nicht wirklich erklären. Der Krach mit Wilma, du und dein Tänzer. Kajo verkauft das Haus! Was soll’s … Ich bin müde.«
»Du bist eifersüchtig und leidest unter Verfolgungswahn.«
»Du hast Recht und ich hab meine Ruhe. Meinetwegen auch Verfolgungswahn. Darf ich jetzt ein bisschen Schlaf nachholen?«
»Darfst du, aber bevor du in die Kissen sinkst, soll ich dir was von Oma ausrichten. Sie fragt, ob du ihr morgen helfen kannst.«
»Na klar, worum geht es?«
»Bier verkaufen, Brausebonbons in klebrige kleine i-Männchen-Hände abzählen und dem Borowski die BILD- Zeitung vorlesen, weil er seit zehn Jahren seine Lesebrille nicht mehr finden kann. Ach so, und aufpassen, dass der Borowski und der Herrmanns täglich nicht mehr als zwei Bier kriegen und dass sie ihre Pfandflaschen pünktlich zurückbringen. So ungefähr. Und jetzt muss ich los. Nikolaj und ich gehen ins Fitness-Studio.«
Winnie drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
»Nur morgen?«
»Eher für länger.«
»Wie lange?«
»Frag sie selbst. Da mische ich mich nicht ein. Ich bin ja nicht lebensmüde. Oma sagt, ihre Bandscheiben sind noch nicht wieder hundertprozentig. Ich glaube aber, es wird so lange dauern, bis sie den Rest von dieser abgehackten Hand gefunden haben.«
»Also bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.«
»Hm! Sie hat da so ihre Theorien.«
»Kann ich lieber noch ’ne Nacht drüber schlafen?«
»Nee, eher nicht. Ich hol’ dich morgen um 5.30 Uhr ab. Berti will zum Großmarkt.« Schon hatte er die Hand auf der Türklinke, und weg war er.
Ich brauchte ein paar Sekunden, um die Information zu verarbeiten. 5.30 Uhr?! Ich sprang vom Bett und rannte zum Flurfenster.
»5.30 Uhr? Bist du irre? Was will ich denn um 5.30 Uhr auf dem Großmarkt?«, rief ich ihm hinterher. Zu spät. Ich sah nur noch die Rücklichter von Winnies altem Saab-Cabriolet und den wehenden roten Schal von Nikolaj.
War nicht die berühmte Tänzerin Isadora Duncan einst von ihrem Schal erdrosselt worden, als er sich in den Speichen ihres Cabriolets verfangen hatte? Was einmal klappt, kann ja durchaus noch mal …
»Nehmen die Biolatschen mit den Blagen dat Haus?« Der Grillmeister stand mit einem Wasserschlauch in seinem Vorgarten und schaute zu mir hoch.
»Sieht nicht so aus, Herr Nachbar.«
»Gott sei Dank.«
Ich schlich zurück in mein Zimmer und beschloss, die restlichen Zigaretten auf ex zu rauchen und mich langsam damit abzufinden, dass ich nicht in der Position war, Oma Berti auch nur irgendeinen Wunsch abzuschlagen, selbst wenn sie die drei Haare des Propheten verlangt hätte. Aber jeden Morgen um 5.30 Uhr? Vielleicht kann ich mit ihr einen Deal machen. 5.30 Uhr und zwei Packungen Zigaretten am Tag und ein Mittagessen, wenigstens solange, bis am 1. Juni die nächste Zahlung von Herrn Matti kommt. Mir knurrte der Magen jetzt schon. Oma selig, ich schwöre: Keinen Alkohol in den nächsten drei Monaten! Irgendwie führt der zu nichts Gutem.
Wenig später trieb mich der Hunger in die Küche. Der Borschtsch schmeckte wider Erwarten sehr gut, und ich wollte mich gerade mit einer vollen Schüssel davon an den Wohnzimmertisch setzen, als Dr. Thoma durch die Katzenklappe geschossen kam. Offensichtlich hatte er mit der Neuordnung der nachbarschaftlichen Katzen-Verhältnisse nicht viel Erfolg gehabt. Auf dem Esstisch lagen zu meiner Überraschung eine in Folie eingeschweißte finnische Zeitung und ein Brief für mich. Darauf klebte ein gelbes Post-it: Hat Herzig für dich hier vorhin abgeben lassen. Gruß Winnie.
Ich riss den Brief auf: 500 Euro und eine Bescheinigung für die JVA, unterschrieben vom Staatsanwalt: Besuchstermin JVA Krümmede, Herr Matti Paavo Bietiniemolaiinnen, 1. Mai, 16 Uhr.
Auf einem separaten Blatt Papier mit Herzigs Briefkopf noch eine handschriftliche Notiz:
Liebe Frau Abendroth, manchmal ist es doch gut, das Handicap des Herrn Staatsanwalt aktiv zu verbessern. Die finnische Zeitung ist für Herrn Matti. Folie nicht aufreißen! Die Zeitung ist vom Staatsanwalt versiegelt worden. Die 500 Euro sind von Herrn Matti. Er dachte, Ihr
Weitere Kostenlose Bücher