abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
für mich zu gehen.
»Bis zum nächsten Mal, Herr Matti.«
»Danke, dass Sie da waren, Frau Margret. Grüßen Sie alle von mir.«
»Mach’ ich. Passen Sie gut auf sich auf. Und essen Sie bitte etwas mehr. Sie haben schon wieder abgenommen.«
»Werden Sie mir schreiben?«
»Natürlich.«
»Ich freue mich über jede Zeile.«
»Ich mich auch. Vor allem über Cyrano de Bergerac.«
»Ich wusste, dass Sie es erkennen werden. Er ist ein wenig kitschig. Aber schön.«
Was hatte ich mir da nur wieder eingebrockt?
14
Hätte ich geahnt, was mich in Oma Bertis Kiosk erwartet, wäre die Suche nach dem Besitzer der abgehackten Hand in Bad Camberg eine echte Alternative gewesen. Die einzigen Freundinnen, bei denen ich ein wenig Trost fand, waren Amica, Elle und Vogue. Alle Hochglanzmagazine druckfrisch und gratis, genau in dem Moment, als ich mich in Wilmas Salon nicht mehr blicken lassen durfte. Das versöhnte mich ein wenig mit 5.30 Uhr. Zu schade, dass ich hier keine Seiten rausreißen durfte. Wie sagt der Fachmann dazu? Desensibilisierungstherapie oder Konfrontationstherapie?
Wesentlich anstrengender als meine Lektüre aber war die tägliche Konfrontation mit Borowski und Herrmanns und all den kleinen Biestern, die später mal für meine Rente ackern sollten und die sich an der Bude mit Knallbrause, Weingummischlangen, Negerkussbrötchen und Cola schon jetzt Karies, Übergewicht und einen Herzschaden anfutterten.
Borowski und Herrmanns, beide weit über 60, bestanden strikt darauf, dass ich nicht die Richtige sei, ihnen die BILD- Zeitung vorzulesen. Seit sie mich das erste Mal gesehen hatten, führten sie einen Zickenkrieg gegen mich. Sie hatten sogar versucht, Oma Berti mit Blumen zu bestechen, damit sie mich wieder rauswirft. Aber Queen Berti hatte beschlossen, nur noch dann Hof zu halten, wenn ihr danach war.
Die Bierkästen und das Bändigen ihrer Stammkunden überließ sie mir. Sie hatte schließlich Wichtigeres zu tun – Standleitung nach Bad Camberg zu Onkel Walla. Jeden Tag traktierte sie den armen Mann und verlangte, über den Fortgang der Ermittlungen ›herrenlose Hand‹ informiert zu werden. Wachtmeister Walther hatte kapituliert und ihr erst gestern berichtet, dass die tote Hand noch immer im Labor untersucht wurde. Die Hand hatte also schlechte Aussichten auf ein christliches Begräbnis, solange nicht die anderen Puzzleteile gefunden wurden und der Mordfall aufgeklärt war. Was Onkel Walla und Oma Berti ganz besonders beschäftigte, war die Tatsache, dass kein Mensch vermisst wurde und die Biodaten der Hand zu keiner als vermisst gemeldeten Person aus dem weiteren Umfeld, sprich Deutschland, passten. Oma Berti tippte auf Flüchtlingsdrama. Halb Hessen, mit Suchhunden, Sonden und Schaufeln bewaffnet, kehrte seit Tagen im Taunus rund um Bad Camberg das Unterste zuoberst, um die Leiche zu finden. Bisher ohne Erfolg.
Eben hatte ich es mir mit einer Tasse Kaffee und der aktuellen Frau mit Herz im Kiosk gemütlich gemacht, als Herrmanns und Borowski im Blickfeld der kleinen Verkaufsluke erschienen. Ergeben legte ich die Zeitschrift weg und wappnete mich gegen das Unvermeidliche: eine weitere Ausgabe von Herrmanns hausgemachter Theorie zur soziopathologischen Virulenz eines Volkscharakters und seine Auswirkungen auf das Wirtsvolk:
1. Der Polacke: schlechte Qualität der Fliesenlege- und Ausschachtarbeiten auf Deutschlands Baustellen, außerdem so gut wie alle Autodiebstähle.
2. Der Kosovo-Albaner: holt bei den Autodiebstählen gerade auf.
3. Der Japse: Überschwemmung des deutschen Marktes mit Elektronik, die sich jeder leisten, aber deren Gebrauchsanweisung niemand verstehen kann.
»Der Japse, verstehsse, der macht uns alle bekloppt im Kopp mit dem Zeuch. Dat schwächt dat Bruttosozaalprodukt, weilsse mehr Zeit damit verbrings, um den Scheiß inne Gebrauchsanweisung zu verstehn, als dat Ding zu benutzen.«
4. Der Türke: Arbeitslosigkeit.
5. Der Russe, besser gesagt die Russin: fallende Preise im Puff.
Und 6. Der Chinese: Stahlmangel auf der ganzen Welt wegen der Wolkenkratzer in Shanghai.
Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wen von den beiden ich am liebsten zuerst umbringen würde, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte. Lebensrettend für Borowski und Herrmanns war einzig und allein mein Wissen, dass meine Tage im Kiosk gezählt waren. Wenn ich auch nicht wusste, wie weit ich würde zählen müssen.
Oma Berti kannte die zwei ja schon seit gemeinsam verbrachter Schulzeit. Der Borowski hatte ihr
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