abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
wohin der erste Trip gehen soll. Am liebsten mit uns allen zusammen. An dem Punkt habe ich mich dann auch gefragt, ob Carmen außer vier Gläsern Champagner noch irgendwas genommen hatte. Stellen Sie sich das mal vor, Herr Matti: Ihr Mann war seit knapp 24 Stunden tot, die Spuren der Prügelei waren noch immer in ihrem Gesicht zu sehen, und Carmen kicherte wie ein Teenager!
Zum Abschied hat sie uns gebeten, die fünf Müllsäcke mit der Kleidung ihres Mannes mit nach draußen zu nehmen und am Rinnstein stehen zu lassen. Die Abholung sei bereits bestellt. Kurz nach Mitternacht sind wir wieder nach Hause gefahren, und Oma war auf der ganzen Fahrt sehr still. Sie sah dabei nicht so aus, als würde sie nur überlegen, ob sie mit Carmen Urlaub machen soll. Als ich sie gefragt habe, ob sie den Verdacht hat, dass Carmen ihren Gatten geschubst hat, hat sie nur abgewinkt und gesagt: »Die Carmen ist eher der Gift-Typ. Ich frag’ mich bloß, warum die ausgerechnet diese Psychotante aus Bad Camberg angerufen hat und nicht die Mia oder mich. Dafür sind Freunde doch da.«
»Vielleicht hatte Carmen einfach nur Angst, dass du die Sache selbst in die Hand nimmst«, habe ich ihr geantwortet.
»Verdient hätte er es ja«, war Bertis abschließender Kommentar.
So viel zu diesem seltsamen Abend.
Ich habe mal wieder meinen Vermieter angerufen, und er hat mir versprochen, dass in absehbarer Zeit endlich das Souterrain bezugsfertig ist. Drücken Sie mir die Daumen, dass es diesmal wahr ist. Ich habe ihm angedroht, für die nächsten Monate doch noch ins Luxushotel zu ziehen, falls er seine Zusage wieder nicht einhalten kann. Und wer weiß, wann Herzig Kajos Haus verkauft hat? Kann ja täglich passieren.
Dr. Thoma hat vorgestern dem Grillmeister von nebenan drei Würstchen vom Grill gestohlen. Danach war ihm wirklich schlecht. Er hat mit dickem Bauch ein paar Stunden auf der Terrasse gelegen, und die Mäuse haben im Geräteschuppen ein Fest gefeiert.
Winnie und sein Russe waren für ein paar Tage in Amsterdam. Vielleicht wird Nikolaj demnächst beim Nederlands Dans Theater arbeiten. Die Tage ohne die beiden waren wirklich erholsam. Ich habe mich zwar langsam an Nikolajs Anwesenheit gewöhnt, aber beim Fernsehen von einem tanzenden Reinlichkeitsfimmel gepeinigt zu werden, der mit dem Staubsauber um die Couch pirouettiert, Aschenbecher alle zehn Minuten leert und auswischt und einen andauernd fragt, ob man nicht doch noch was essen möchte, ist dann doch ermüdend. Der Russe versteht nicht, dass nicht jede Frau das Ziel hat, innerhalb von nur wenigen Wochen so auszusehen wie eine russische Matjoschka. (Nicht, dass wir beide nicht wüssten, wie ich dann aussehe.) Seit zwei Tagen allerdings geht es bei uns noch künstlerischer zu. Kajo ist da. Er hat sämtliche Prüfungen in Wien mit Bestnote bestanden. Jetzt übt er bis zu vier Stunden am Tag, wenn er nicht gerade sein Mountainbike mitten im Wohnzimmer auseinander- und wieder zusammenschraubt oder damit durch Stiepels Wälder prescht. Wenn er damit fertig ist, dann bekommt Nikolaj noch zusätzlich eine Stunde Live-Musik für sein »kleines Exercise« oder wie das in Tänzerkreisen heißt. Dr. Thoma liegt derweil als Groupie auf dem Sofa und bewundert die Eleganz menschlicher Körperbeherrschung.
So, meine tägliche Pein nähert sich. Ich sehe Borowski und Herrmanns am Horizont auftauchen. Sie verlangen nach ihrem Nachmittagsbierchen.
Machen Sie es gut.
Ihre Margret Abendroth
Tatsächlich war ich plötzlich sehr froh über meinen Job im Kiosk, denn Nikolaj beim Training im Wohnzimmer – wir hatten mittlerweile Möbel für ihn gerückt – zuzuschauen, ging weit über das hinaus, was ich ertragen konnte. Das war noch viel schlimmer, als ihn halbnackt und nass mit einem Badetuch um die Hüften rumstehen zu sehen. Er konnte, ohne auch nur einmal zu wackeln, auf einem Bein stehen und das andere ausgestreckt bis zum Ohr heben – und wenn er gut drauf war, machte er auch noch drei oder vier Umdrehungen dabei. An Tagen, an denen er mir ganz besonders übel mitspielen wollte, trainierte er mit nacktem Oberkörper.
Kaum hatte ich den Briefumschlag zugeklebt, da klingelte im angrenzenden Wohnzimmer von Oma Berti das Telefon. Ich hörte, wie sie den Hörer abnahm und sagte: »Ich garantiere für nix, Wilma«.
Herrmanns und Borowski lehnten sich zur Begrüßung wie immer auf die schmale Ablage vor dem Kioskfenster und tippten sich an die Schiebermützen, als hätte es den gestrigen
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