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Dezember 2022 laufen.
Die Folgen des Ausstiegs werden vermutlich ganz andere sein, als sie in der Debatte um den Ausstieg immer wieder artikuliert wurden. Denn dass die Lichter in Deutschland ausgehen, ist unwahrscheinlich. Die ausgefallenen Strommengen werden kurzfristig vor allem durch zusätzliche fossile Kraftwerke und höhere Stromimporte aufgefangen werden. Bis in zehn Jahren das letzte Kernkraftwerk vom Netz ist, sollten eine höhere Energieeffizienz in allen Bereichen und der erfolgte Aufbau erneuerbarer Energiequellen in der Lage sein, den gesamten bisherigen Atomstrom zu substituieren.
Trotzdem gilt es, in den kommenden zehn Jahren eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten. Die wichtigste aus meiner Sicht: Können wir auf die Technik der Kohlendioxidabscheidung und -speicherung vertrauen, um die verbleibende Nutzung fossiler Energierohstoffe klimafreundlicher zu gestalten? Aber auch mit der Kernkraft werden wir uns weiter beschäftigen müssen. Denn die Kraftwerke müssen abgebaut und der Müll gelagert werden. Bis man in Deutschland – über der Erde – keine Spuren der Atomwirtschaft mehr finden wird, schreiben wir wahrscheinlich das Jahr 2040. Die Experten, die wir für den Abbau der Kernkraftwerke und den Bau von Endlagern auf viele Jahre benötigen, könnten bald Mangelware sein. Deutsche Kernphysiker werden derzeit heftig umworben, vor allem, aber nicht nur von China, das sein Atomprogramm trotz Fukushima fortsetzen will.
Nicht zuletzt ist die Frage offen, ob eine Stromerzeugung mit der Kernfusion eine realistische Alternative ist.
DIE KERNFUSION: HOLEN WIR DIE SONNE AUF DIE ERDE?
»Die Mußezwischenzeit verwenden die Meisten für die Wissenschaften.«
Thomas Morus, Utopia
Rutherfordium ist ein seltsames Element. Das radioaktive Übergangsmetall mit der Ordnungszahl 104 kommt in der Natur nicht vor, kann ausschließlich künstlich erzeugt werden, zerfällt dann aber mit einer Halbwertszeit von maximal 61 Sekunden wieder. Eine technische Nutzung ist, wen wundert es bei diesen Eigenschaften, nicht bekannt. Seine herausragende Eigenschaft besteht darin, dass es nach Ernest Rutherford benannt ist, der 1908 den Nobelpreis für Chemie für sehr grundlegende Arbeiten zur Kernspaltung erhielt. Theoretische Arbeiten allerdings, denn bis man die Kernspaltung sowie die von Rutherford korrekt vorhergesagten Alpha-, Beta- und Gammastrahlen nachweisen konnte, sollten noch drei Jahrzehnte vergehen. 1919 war es umgekehrt: Rutherford konnte die erste Kernfusion experimentell nachweisen, es mangelte jedoch an einer Erklärung für das Phänomen.
Heute weiß man, dass zwei Atomkerne aufgrund der starken Wechselwirkung verschmelzen können, wenn sie sich nur nah genug kommen, so ungefähr auf zwei Femtometer, das ist der billiardste Teil eines Meters. Dass dabei Energie freigesetzt werden kann, liegt wiederum am Massendefekt (den wir im letzten Kapitel behandelt haben). Denn die sich in Energie umwandelnde Masse nimmt bis zu Atomkernen mit etwa 60 Kernbausteinen zu und erst danach wieder ab. Besonders viel Energie wird frei, wenn man die allerkleinsten Atomkerne verschmilzt, weshalb man meist die beiden Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium nutzt und diese zu einem Heliumatom zusammenbaut. Dumm an der Sache: Tritium, einWasserstoffatom mit zwei Neutronen und einem Proton im Kern, kommt in der Natur nicht vor. Man muss es künstlich aus Lithium erzeugen. Auch Deuterium (ein Proton und ein Neutron im Kern) muss erst erzeugt werden, es kommt in aus Wasser gewonnenem Wasserstoff im geringen Mengen vor.
Jede einzelne Fusion eines Deuterium- und eines Tritiumatoms zu einem Heliumatom setzt ein schnelles Neutron frei, dessen Bewegungsenergie genutzt werden kann, um entweder den Tritium-Nachschub zu sichern oder ein Arbeitsmedium zu erhitzen, dessen Wärmeenergie dann zur Stromerzeugung mit einer Dampfturbine genutzt wird. So weit, so einfach. Kommen wir zu den komplizierten Themen. Denn damit sich die starke Wechselwirkung zwischen Atomkernen entfalten kann, müssen bestimme Bedingungen herrschen. Die Atome müssen eine hohe kinetische Energie haben, sonst würden sich die Kerne, die ja aus neutralen und positiv geladenen Teilchen bestehen, gegenseitig abstoßen. Hohe kinetische Energie der Teilchen bedeutet, es muss sehr warm sein. Im Inneren der Sonne, deren Energie ebenfalls aus der Wasserstofffusion stammt, sind es bis zu 15 Millionen Grad Celsius, das reicht. Leider nicht auf Erden: Denn im Zentrum der
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