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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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Atom-Großmächte. Zumindest existieren in beiden Ländern genehmigte Endlager, in Finnland wird sogar bereits gebaut. Ansonsten überall das gleiche Bild: aufwändige Suchen durch Kommissionen, Bürgerproteste, Lavieren von Regierungen und Betreibern. Aber irgendwo muss der Atommüll hin, wenn man ihn nicht ewig in Zwischenlagern stehen lassen will.
    Für kurze Zeit herrschte in den neunziger Jahren Zuversicht, dass das Problem durch eine internationale Kooperation zu lösen wäre. Im Rahmen des Pangea-Projektes wurden mehrere entlegene Gegenden auf ihre geologische Eignung für eine Tiefenlagerung radioaktiven Abfalls untersucht und schließlich ein Standort in Westaustralien identifiziert. Mit 35 speziell angefertigten Schiffen sollte Atommüll aus aller Welt angekarrt und in einem 20 Quadratkilometer großen Areal in 500 Metern Tiefe verstaut werden. Das Parlament in Perth verbot jedoch die Lagerung ausländischen Atommülls, das kommerziell organisierte Projekt wurde aufgegeben, obwohl Australien selbst zu den großen Uran-Exporteuren gehört.
    Charles McCombie, damals technischer Direktor des Projekts, ist heute noch davon überzeugt, dass es sinnvoll wäre, bei der Endlagerung international zusammenzuarbeiten: »Idealerweise minimiert man das Risiko, indem man mehrere internationale Standorte auswählt.« Der renommierte Experte, der unter anderem in Gorleben als Gutachter wirkte, hat den Verein Arius gegründet, um die interstaatliche Zusammenarbeit zumindest in Europa zu fördern. Die Lobbyarbeit blieb nicht ohne Erfolg.
    Die im Sommer 2011 in Kraft getretene EU-Richtlinie zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle betont die einzelstaatliche Verantwortung, schließt aber eine Kooperation nicht aus. Wörtlich heißt es: »Radioaktive Abfälle sind in dem Mitgliedsstaat endzulagern, in dem sie entstanden sind, es sei denn, Mitgliedsstaaten treffen untereinander Vereinbarungen, Endlager in einem der Mitgliedsstaaten zu nutzen.« Der Richtlinie zufolge muss Deutschland bis 2015 einen Aktionsplan vorlegen, in dem der Umgang mit dem Atommüll festgeschrieben wird. Damit ist schon klar, was die nächste Bundesregierung zu tun hat.
    Bliebe noch die Frage nach der Sicherheit: Ich habe in meiner Recherche keine Hinweise darauf gefunden, dass es eine Möglichkeit gäbe, den Abfall aus kerntechnischen Anlagen sicherer zu lagern, als ihn unterirdisch zu bunkern. Diskutiert wird immer wieder über die Frage, welche geologischen Formationen am geeignetsten sind. Die wahrscheinlich umfangreichste Studie, die zu diesem Thema in Deutschland je verfasst wurde, kam nach jahrelanger Arbeit zu dem Ergebnis, dass es kein Wirtsgestein gibt, das generell die größte Endlagersicherheit gewährleistet. Sprich: Es muss gar nicht zwingend ein Salzstock wie in Gorleben sein. Sinnvoller sei es, so das federführende Bundesamt für Strahlenschutz in seinem zusammenfassenden Bericht, konkrete Standorte auf ihre Eignung hin zu untersuchen. Einen grundsätzlichen Forschungsbedarf sieht das Amt nicht mehr. Greenpeace sieht hingegen noch eine Menge offene Fragen: Korrodieren die Behälter über sehr lange Zeiträume? Wie verändert die noch vorhandene Restwärme umgebende Materialien über lange Zeiträume? Wie verhalten sich Gesteinsformationen bei der Weiterleitung radioaktiver Substanzen? Was passiert, wenn in einer möglichen Eiszeit große Gletscher über den Lagerstätten enormen Druck ausüben?
    Es mag sein, dass Hundertmillionen Jahre alte Granitfelsen in unbewohnten Gebieten Australiens geeigneter sind als Salzstöcke in Norddeutschland. Aber wenn wir darauf keinen Zugriff haben, ist es an der Zeit, die Verantwortung für den bei uns entstandenen Müll zu übernehmen und einen geeigneten Standort im eigenen Land zu suchen.
DIE FOLGEN DES AUSSTIEGS
    Jahrzehntelang tobte in Deutschland ein Streit um die Kernenergie, der anfangs die Grenzen zwischen bürgerlichem und alternativem Denken klar markierte. Nun, da die Grünen längst bürgerlich sind und die Industrie grün sein will, ist der Ausstieg aus der Technik endgültig besiegelt. Da das Ende Juni 2011 im Bundestag beschlossene Konzept im Gegensatz zum rot-grünen Atomkonsens keine Übertragbarkeit nicht produzierter Strommengen von einem auf das andere Kernkraftwerk vorsieht, erlischt die Betriebserlaubnis jedes Kraftwerkes zu einem festgesetzten Zeitpunkt. Die letzten drei Meiler, Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2, dürfen längstens bis zum 31.

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