Abgeschaltet
Versuchseinrichtungen neu zu justieren.
Bis zu einem Kraftwerk ist es auch in den USA noch ein weiter Weg, aber über die nächste Ausbaustufe wird bereits nachgedacht. Man will die bei der Kernfusion freiwerdenden schnellen Neutronen eines Tages dazu nutzen, zerkleinerten Atommüll zu spalten, der in die kugelförmige Wand des Fusionsreaktors eingebracht wird. Bei diesem Konzept wirkt die Kernspaltung als Verstärker für die Kernfusion, dadurch sollen am Ende bis zu fünf Megawatt in einem einzigen Reaktor erzeugt werden – etwa 350-mal mehr, als man für den Betrieb des Lasers benötigt. Gleichzeitig wäre ein solcher Reaktor immer unterkritisch, das heißt eine Kettenreaktion findet nicht statt. Lässt man den Kernbrennstoff lange genug im Reaktor, sollen 99,9 Prozent des spaltbaren Materials zerlegt sein, das heißt, es bleiben nur gering strahlende Abfälle übrig. Klingt wie Sciencefiction und ist es in gewisser Weise auch. Mit der Einschränkung, dass ernsthafte Wissenschaftler an dieser Idee arbeiten.
Ob die Kernfusion überhaupt eine Zukunft hat, werden wir frühestens in 15 Jahren wissen, wenn sich der Forschungsreaktor ITER bewährt, das heißt, wenn er mehr Strom liefert, als er verbraucht. Überraschungen sind nicht auszuschließen, wohl aber, dass die Kernfusion bei Zimmertemperatur, die immer mal wieder durch die Medien geistert, Realität wird. Bislang konnte keines der angeblichen Sensationsexperimente reproduziert werden. Aber sollte die Weltgesellschaft viel Geld und geistige Ressourcen in die Erforschung einer Energiequelle stecken, deren Beitrag so ungewiss ist? Auch dies gehört meines Erachtens in einem demokratischen Prozess erörtert.
Ernst Ulrich von Weizsäcker schrieb mir in einem E-Mail-Dialog dazu Folgendes: »Als Naturwissenschaftler empfinde ich bei der Kernfusion eine gewisse Faszination. So wie ich [den Teilchenbeschleuniger] CERN befürworte, bin ich tendenziell auch für Fusionsforschung. Energiepolitisch halte ich sie gleichwohl für nach heutiger Kenntnis irrelevant, aber ich weiß sehr wohl, dass man in 30 Jahren anders darüber denken kann.«
Nach meinen Recherchen plädiere ich vehement für eine Fortsetzung der Fusionsforschung. Zum einen, weil die 15 Milliarden Euro internationaler Finanzmittel über einen langen Zeitraum von mehr als zehn Jahren keine so große Belastung darstellen. Allein durch die EEG-Umlage bezahlen die Verbraucher in Deutschland im Jahr 2011 den Ökostrom-Erzeugern 13,5 Milliarden Euro an Subventionen. Zum anderen, weil die Welt nicht nur aus deutschen Wohlstandshaushalten besteht, die zugunsten grünen Stroms auf den einen oder anderen Cafe Latte locker verzichten können. Sondern aus Milliarden von Menschen, die für ihre Entwicklung neben Bildung vor allem eines benötigen: billige Energie. Wenn wir nicht wollen, dass diese aus Kohle- oder Kernkraftwerken kommt, dann bietet die Fusion eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung ohne Klimakollaps. Eine Chance wohlgemerkt, keine Garantie.
DIE ABGESAGTE REISE
»Was soll ich mir in dieser Verfassung etwa noch den Kopf über China zerbrechen? Davon haben doch beide Seiten nichts.«
Peter Rühmkorf, aus dem Gedicht »Zum Jahreswechsel«
Als dieses Buch geplant wurde, stand für mich zunächst fest: Es ist nicht möglich, über die Energieversorgung der Zukunft nachzudenken, ohne China ins Kalkül zu ziehen. Denn das bevölkerungsreichste Land ist seit 2010 auch der größte Energieverbraucher der Welt. In absoluten Zahlen wohlgemerkt, nicht hinsichtlich des Pro-Kopf-Verbrauches. Wie die Statistik des Mineralölkonzerns BP zeigt, verbrauchte das Reich der Mitte Primärenergie in Höhe von 2,4 Milliarden Tonnen Erdöläquivalent – aus historischen Gründen hat man sich auf diese Einheit geeinigt, um Kohle, Erdöl und andere Energieträger miteinander vergleichen zu können. Damit schlug China die Vereinigten Staaten mit einem Verbrauch von 2,3 Milliarden Tonnen erstmals. Rasant ist der Zuwachs, der allein von 2009 auf 2010 mehr als 11 Prozent betrug. In den einzelnen Energiemärkten kommt der Volksrepublik damit eine immer dominantere Rolle zu. So wird mittlerweile jede zweite Tonne Kohle in China verbrannt. Der ungünstige Energiemix führt dazu, dass China das Ranking der CO 2 -Emittenten mit weitem Abstand anführt. Allerdings verschlechtert sich die Bilanz auch dadurch, dass das Land als »Fabrik der Welt« Spielzeug, Unterhaltungselektronik und andere Waren für den Export produziert. Je
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