Abgeschaltet
erzeugt, die das Plasma verbeulen und dadurch stabiler machen.
Die Entwicklung des Tokamaks ist weiter vorangeschritten, daher wird der ITER in dieser Bauweise ausgeführt werden. Der fortschrittlichste Stellarator ist eine Nummer kleiner, wird vom Max-Planck-Institut derzeit in Greifswald aufgebaut und soll etwa 2014 in Betrieb gehen. Die Münchner hatten 1980 erstmals überhaupt bewiesen, dass der Einschluss eines Plasmas in einem Stellarator nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis funktioniert. Amerikanische Wissenschaftler sprachen daraufhin vom »Munich Miracle«. Für den derzeit gebauten Apparat haben sie mit Hilfe von Supercomputern Magnetspulen berechnet, deren Geometrie so komplex ist, dass sie zunächst wie völlig zufällig oder sogar verbogen aussehen. Damit aber ist es möglich, das Plasma in einer einzigen Spule stabil zu halten. Die Spule selbst ist nicht nur ästhetisch, sondern auch technisch ein Wunderwerk: Zwei Meter große Windungen, die Kräfte von bis zu 200 Tonnen ertragen müssen, unter den Bedingungen von Supraleitung übrigens, also bei ungefähr minus 270 Grad Celsius.
Die extremen Bedingungen, unter denen Fusionskraftwerke betrieben werden, sind mit ein Grund dafür, warum eine kommerzielle Anwendung noch so weit weg ist. Der erreichte technische Stand entspricht etwa dem eines großen Teilchenbeschleunigers – und die werden ja auch nicht in großer Anzahl gebaut. Trotzdem hofft Hasinger, dass in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts mit dem Bau des ersten Demonstrationskraftwerks begonnen werden kann. Es entspräche von Größe und Technik her schon einem kommerziellen Kraftwerk. Ob dieser Zeitplan gehalten werden kann? »Hoffentlich – aber versprechen kann man in der Forschung nichts«, sagt Hasinger. So sind noch viele Werkstoffprobleme zu lösen. Würde man heute solch ein Kraftwerk bauen, hielte es den extremen Anforderungen, beispielsweise durch den permanenten Neutronenbeschuss, nur etwa ein Jahr lang stand.
Neben dieser Ungewissheit wird die Fusion vor allem dafür kritisiert, dass auch sie nicht ohne Radioaktivität funktioniert. Zum einen strahlt die Brennstoffkomponente Tritium selbst, zum anderen werden durch die sehr schnellen Materialien die Gefäßwände »aktiviert«, das heißt es entstehen neben dem Tritium auch andere instabile Atome, bei deren Zerfall radioaktive Strahlung freigesetzt wird. Das Tritium ist recht unkritisch, denn es soll im Reaktor aus dem völlig harmlosen Alkalimetall Lithium erzeugt werden; es befinden sich daher immer nur geringe Mengen des Brennstoffs (etwa ein Kilo) in der Anlage. Ferner ist anzumerken, dass es sich bei Tritium um einen schwachen Betastrahler handelt, die Reichweite der beim Zerfall entstehenden energiereichen Teilchen beträgt in der Luft acht Zentimeter. Die Halbwertszeit ist mit etwas über zwölf Jahren ebenfalls beherrschbar. Eine großräumige Verstrahlung durch Tritium ist daher selbst bei einer völligen Zerstörung des Reaktors, etwa durch einen Terrorangriff, unmöglich (nicht unwahrscheinlich, sondern unmöglich!). Bleiben die durch den Neutronenbeschuss entstehenden radioaktiven Abfälle, vor allem durch die Innenverkleidung des Reaktorgefäßes. Ihre Radioaktivität ist um mehrere Größenordnungen geringer als die von Abfällen aus Kernkraftwerken. Wer sich also gegen die Kernfusion aufgrund vermeintlicher nuklearer Risiken ausspricht, der müsste auch Computertomographen ablehnen.
FEUER FREI?
Da es so unglaublich schwer ist, das für die Kernfusion notwendige Plasma stabil zu halten, verfolgen Wissenschaftler an der National Ignition Facility (wörtlich: »Nationale Zündungseinrichtung«) in Kalifornien einen anderen Weg. Sie wollen das Plasma permanent mit einer riesigen Laserkanone neu zünden. Dazu wird für eine sehr kurze Zeit, etwa den zwanzigmilliardstel Teil einer Sekunde, eine Leistung von 500 Terrawatt auf eine pfefferkorngroße Kapsel mit Wasserstoff gerichtet. Die Energie des Lasers reicht, um die Kernfusion zu zünden. Theoretisch wird das Hundertfache der vom Laser benötigten Energie frei, dann verlischt das Sonnenfeuer wieder. Was zunächst nach einer deutlichen Vereinfachung klingt, ist auch nicht ohne. Denn der Laser an der NIF ist der leistungsstärkste der Welt, er müsste 600-mal in der Minute feuern, damit ein auf dieser Technik basierendes Kraftwerk kontinuierlich Strom liefert. Momentan brauchen die Wissenschaftler noch rund drei Tage zwischen zwei Zündungen, um die
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