Abgeschaltet
damit Lachse und andere Wandergesellen den Einstieg finden. Die Renaturisierungsmaßnahme führte allerdings zu einer neuen Form der Kontroverse: Denkmalschützer standen gegen Umweltschützer. Eine Abwägung, die von den Behörden auf der deutschen und der Schweizer Seite gemeinsam zugunsten der Ökologie getroffen wurde. Bewahren hat eben viele Facetten.
Dass der Neubau überhaupt notwendig wurde, ist nicht nur im Verschleiß des alten Kraftwerks begründet. Das Potenzial der Fließwasserkraft in Deutschland ist nämlich weitgehend erschöpft, zumindest an den großen Flüssen. Will man trotzdem mehr Strom aus Wasserkraft gewinnen, muss man alte Anlagen ertüchtigen oder komplett neu bauen. Das neue Werk in Rheinfelden holt mehr als drei Mal so viel Strom – nämlich 600 Megawattstunden im Jahr – aus dem gleichen Fluss. Die bessere Ernte ist teilweise der grundsätzlichen Bauweise zu verdanken: Das Kraftwerk, bestehend aus einem 200 Meter breiten Stauwehr und einem daneben gesetzten Turbinenhaus, überspannt die gesamte Breite des Flusses. So durchlaufen heute 95 Prozent des Wassers die vier Turbinen, nur fünf Prozent fließen über das Stauwehr, zumindest bei normalen Wasserpegeln, die an 300 Tagen im Jahr vorherrschen. Wenn nach der Schneeschmelze in den Alpen das Hochwasser kommt, kann das Stauwehr geöffnet werden. Erheblichen Anteil am Zugewinn hat die Manipulation der Fallhöhe: Auf der Oberseite wird das Wasser anderthalb Meter höher gestaut. Um den Auslass tiefer setzen zu können, hat man den Rhein auf einer Länge von fast zwei Kilometern künstlich vertieft. Insgesamt fällt das Wasser nun neun Meter in die Tiefe. Das bedeutet: 1500 Kubikmeter pro Sekunde.
Nicht zuletzt macht sich der Fortschritt im Turbinenbau bemerkbar: Während die alten Maschinen mit einem Wirkungsgrad von zirka 60 Prozent liefen, kommen die neuen auf den branchenüblichen Wert von fast 95 Prozent. Anders als früher gilt dieser Wert nicht nur für eine bestimmte, in der Praxis kaum je exakt auftretende Wassermenge, sondern in einem weiten Betriebsbereich. Denn die zum Einsatz kommenden Kaplan-Rohrturbinen sind vielfach verstellbar und passen sich jeweils genau der anströmenden Wassermenge an. Die Wassergeschwindigkeit wird künstlich dadurch erhöht, dass sich der Einlasskanal vor der Turbine verengt. Strömt das Wasser mit einer Geschwindigkeit von ungefähr einem Meter pro Sekunde ein, so wird es bis zur Turbine auf zwölf Meter pro Sekunde beschleunigt.
Der Betrieb erfolgt vollautomatisch, einen bemannten Maschinenkontrollraum gibt es nicht mehr. Störungen werden überwiegend per Sensorik diagnostiziert. Wenn sich zum Beispiel der Rechen vordem Kraftwerk, der alle schwimmenden Gegenstände mit einem Durchmesser von mehr als 15 Zentimetern auffängt, zusetzt und die Anströmung nachlässt, wird automatisch eine Reinigungsanlage in Betrieb genommen.
Niedrige Betriebskosten sind das eine, die hohen Investitionskosten das andere. Insgesamt hat der Betreiber Energiedienst, ein Tochterunternehmen von EnBW, knapp 400 Millionen Euro in den Neubau investiert. 3800 Euro je installiertem Kilowatt – eine »Investition für Generationen« nennt das ein Vorstandsmitglied des Versorgers. Zum Vergleich: Ein Kernkraftwerk liegt bei etwa 2000 Euro, ein Gaskraftwerk bei 900 Euro je installiertem Kilowatt. Allerdings: Die Entsorgungskosten sind in dieser Betrachtung nicht enthalten. Und natürlich kostet der Energieträger Wasser den Betreiber nichts.
Neben dem ohnehin begrenzten Ausbaupotenzial der Wasserkraft dürfte der erforderliche lange finanzielle Atem in privatwirtschaftlichen Systemen eine weitere Begrenzung für diese Form der Energiegewinnung sein. Um die Wirtschaftlichkeit des Neubaus zu berechnen, wurde ein Geschäftsplan über 50 Jahre angelegt, das sind 20 Jahre mehr, als fossilen Kraftwerken in der Regel unterstellt wird. Während der Abschreibungszeit von 33 Jahren ist kein Cent verdient. Was nicht bedeutet, dass nach 33 oder 50 Jahren abgerissen werden muss. Allerdings sind Maschinen und Gebäude heute hinsichtlich des Materialeinsatzes optimiert. Das Motto »Viel hilft viel« der frühen Ingenieurskunst kommt nicht nur aus Kostengründen nicht mehr zum Einsatz. Es hilft auch der Umwelt, denn die indirekte Kohlendioxidemission eines Wasserkraftwerkes stammt fast vollständig aus der Herstellung von Beton und hochbelastbaren Stählen. Eine einzige Turbine wiegt beispielsweise 750 Tonnen. Und für das gesamte
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