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lehrt. Zu seinem Institut gehört die »Versuchsanstalt für Wasserbau« in Obernach, die von Technikpionier Oskar von Miller mitgegründet wurde. Miller ging nicht nur durch die Gründung des Deutschen Museums in die Geschichte ein, sondern prägte die Elektrifizierung Deutschlands maßgeblich. Zu seinen Leistungen gehören die Errichtung des ersten Elektrizitätswerks in Deutschland und der Bau des damals größten Speicherkraftwerks am Walchensee. Die Versuchsanstalt gründete er, um die Anströmung von Turbinen in Wasserkraftwerken in Modellversuchen zu optimieren. Die Institution betreut heute vor allem Neubauprojekte im Ausland.
Rutschmanns Idee ist recht einfach: Man nehme ein vorhandenes kleines Stauwehr, baue einen Schacht hinein, in den man ein standardisiertes und damit billiges Kleinkraftwerk integriert. Eine neue EU-Richtlinie sieht ohnehin vor, dass die vielen kleinen Wehre in Europa in den nächsten Jahren fischdurchgängig gemacht werden. Das kostet natürlich Geld, das teilweise wieder hereinverdient werden könnte, indem die Kommunen den Umbau dazu nutzen, ein Kleinwasserkraftwerk einzubauen – oder sogar einen privaten Investor dafür gewinnen. Allein in Bayern werden 30000 Querbauwerke in Flüssen und Bächen gezählt. Wobei Rutschmann selbst einschränkt: »Verzeichnet sind alle Bauwerke ab 30 Zentimeter Höhe. Im Moment benötigen wir allerdings eine Mindesthöhe von anderthalb Metern.«
Da das Schachtkraftwerk von Rutschmann nur sechs Quadratmeter Fläche beansprucht und nach dem Einbau vollkommen unter Wasser steht und damit unsichtbar ist, kommt die Entwicklung weniger spektakulär daher als klassische Großkraftwerke. Um eine anspruchsvolle Ingenieursaufgabe handelt es sich dennoch. Denn obwohl auf geringem Raum möglichst viel Strom erzeugt werden soll, muss die Einheit für Geschiebe (so nennen die Wasserbauer den mitgeführten Sand) gut passierbar sein. Damit Fische nicht verletzt werden, soll der von dem Turbinenkanal erzeugte Sog möglichst klein sein. Die Gitterabstände am Rechen, der größere Gegenstände draußen hält, dürfen nur anderthalb Zentimeter betragen, damit größere Fische über das abgerundete Wehr absteigen und nicht in der Turbine zermalmt werden. Das feine Sieb darf die Strömung allerdings nicht so abbremsen, dass eine Stromerzeugung unmöglich wird.
Diese Gegensätze aufzulösen, gelingt Rutschmann, indem er den Einlass mit dem Rechen in die horizontale Ebene verlagert und die Turbinen-Generator-Einheit im Schacht darunter anbringt. Gleichzeitig ist so ein Modul entstanden, das in größeren Stückzahlen in einer Fabrik gefertigt und vormontiert angeliefert werden kann. Vor Ort muss nur der Schacht ausgehoben und ausbetoniert werden. Ein einzelnes Kleinkraftwerk erzeugt eine Leistung von 30 bis 50 Kilowatt. Das klingt erst einmal wenig, eine schlichte Windkraftanlage schafft das Fünfzig- bis Hundertfache. Aber eben nicht kontinuierlich. Und wenn das Wehr breit genug ist, können mehrere solche Einheiten parallel betrieben werden. Am Beispiel eines bestehenden Querbauwerks an der Iller rechnet Rutschmann vor, dassdort der Strom für 2500 Haushalte erzeugt werden könnte. Die schlichte Bauweise der Schachtkraftwerke spart außerdem indirekt Kohlendioxid ein, da zwanzig Prozent weniger Beton benötigt werden. Ein Beispiel dafür, dass auch kleine Kraftwerke effizient gestaltet werden können, indem man die Bauweise größerer nicht kopiert, sondern sich etwas ganz Neues einfallen lässt.
Noch während eine Drei-Schacht-Versuchsanlage in Obernach gebaut wird, hat Rutschmann schon die nächsten Ideen: Eine im Schacht horizontal verbaute Turbine könnte die benötigte Mindesttiefe verringern. 2012 sollen erste Pilotanlagen in Baden-Württemberg und Bayern in echten Flüssen gebaut werden. Auch wenn die Idee der Schachtkraftwerke bei Rutschmann aus der Beschäftigung mit der deutschen Situation heraus entstanden ist, richtet sich sein Blick doch über die Staatsgrenzen hinaus. Denn auch international wird mit zunehmendem Wohlstand versucht werden, die wasserbaulichen Eingriffe in die Landschaft möglichst gering zu halten. Zumal dafür nicht nur ökologische, sondern auch technische Gründe sprechen. Einen Fluss abzuriegeln, ob im Großen oder Kleinen, führt fast immer zu Problemen mit Ablagerungen vor den Sperren oder Wehren. Im Strom unterhalb der Sperren kommt es durch den fehlenden Nachschub an Geschiebe oft zu Erosionen. »Vielleicht müssen wir etwas
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