Abgeschaltet
sprechen, so meinen wir damit, dass der Nachschub an Primärenergie innerhalb kurzer Zeit erfolgt, während fossile Energieträger Millionen an Jahren brauchen, um neu gebildet zu werden.
WASSERKRAFT: WIRKLICH UMWELTFREUNDLICH?
»Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu.«
Dem vorsokratischen Philosophen Heraklit zugeschriebenes Fragment
Mein erstes Lebensjahr habe ich auf dem Hof einer Spinnerei einige Kilometer außerhalb Göttingens verbracht. Dort wurde Schafwolle zu Garn verarbeitet, bis 1969, als die kleine Produktion endgültig unrentabel geworden war. Die Maschinenhalle ist heute teilweise restauriert, ein örtlicher Verein kümmert sich um das kleine Industriemuseum. Die Antriebskraft für die Maschinen kam aus einem kleinen Bach, der Garte, genutzt wurde sie über ein Wasserrad. CO 2 -Emission im Betrieb: null.
Um die effektive Kohlendioxidemission einer Anlage, die zur Energieerzeugung genutzt wird, zu messen, muss man allerdings fairerweise immer die Emissionen, die bei der Errichtung angefallen sind, hinzurechnen. Im Fall »meiner« Spinnerei ist das einfach: Das Wasserrad bestand größtenteils aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz, vermutlich ist es in Handarbeit entstanden. Anders sieht es aus, wenn Wasserkraftwerke oder Windparks mit Hilfe von Beton, Stahl und schwerem Arbeitsgerät entstehen. Die Zementherstellung ist sehr energieintensiv, und Hochöfen zur Stahlherstellung werden in der Regel mit Kohle befeuert. Lastwagen, Schwertransporter und Baumaschinen fahren mit Dieselkraftstoff. Die gesamten so entstehenden CO 2 -Emissionen muss man auf die mit der Anlage erzeugte Strommenge umlegen, so dass auch jede Kilowattstunde Strom aus Wasserkraft eine Emission aufweist.
Allerdings führt die Wasserkraft alle mir bekannten Rankings an, weit vor der Solar- oder der Windenergie: Meist wird ein Wert vonnur rund 10 Gramm Kohlendioxid je Kilowattstunde angenommen. Grund für diese positive Bewertung ist die extrem lange Lebensdauer von Wasserkraftwerken. Die Auslegung der Bauwerke erfolgt auf mehr als 100 Jahre, und selbst die Turbinen haben eine Lebensdauer von 60 und mehr Jahren.
Dass Wasserkraftwerke klimafreundlichen Strom produzieren, ist die eine Seite. Die andere führt dazu, dass die meisten Umweltschützer Wasserkraft in großem Maßstab als nicht nachhaltig beurteilen und ablehnen. Um große Leistungen im Gigawattbereich zu realisieren, müssen Flüsse aufgestaut werden. Es entstehen gewaltige Stauseen, die große Gebiete überfluten. Menschen müssen umgesiedelt werden. Klar ist auch: Einen Fluss aufzustauen, ihn abzuriegeln und die Fließgeschwindigkeit zu regulieren, bleibt nicht ohne Einfluss auf die Biosphäre. Insbesondere die im Fluss lebenden Fische erfahren eine gravierende Änderung ihres Lebensraums. Wandernde Fische gelangen nicht mehr zu ihren Laichplätzen, die sich meist im Flussoberlauf befinden. Bauliche Gegenmaßnahmen, zum Beispiel spezielle Fischtreppen, sind bei sehr großen Staudämmen nicht zu realisieren.
Allerdings sind die an den Stauseen entstandenen Kulturlandschaften ja keine Wüsten. Zum Beispiel der Nationalpark Kellerwald-Edersee in Nordhessen. In den zwanziger Jahren wurde südlich von Waldeck eine Talsperre errichtet, um den Wasserstand der Weser besser regulieren zu können. Der Stausee flutete das verschlungene Tal auf einer Länge von fast 30 Kilometern. Heute ist nicht nur die Talsperre selbst eine Touristenattraktion – die (früher nicht existenten) Badestrände in Waldeck ziehen viele niederländische Urlauber an. Südlich des Sees befindet sich der Nationalpark Kellerwald. 2011 wurde er zum Weltnaturerbe ernannt, da es sich um einen der wenigen naturbelassenen Buchenwälder Deutschlands handelt. Im Sommer 2010 wanderte ich mit meinen Söhnen den 70 Kilometer langen »Urwaldsteig« ab, der einmal rund um den See führt. Selten hatten wir als Familie ein intensiveres Naturerlebnis. Besonders beeindruckte uns ein Eichenwald am Nordhang. Seit 3000 Jahren war er sich selbst überlassen. Trockene Witterung und extreme Steillage führten zu einem knorrigen Baumwuchs, der uns an allerlei Waldgeister erinnerte. Wollte man den Edersee heute »renaturisieren«, nicht nur vom Tourismus abhängige Anwohner würden protestieren.
Im dicht besiedelten Deutschland ist der Neubau von großen Wasserkraftwerken ohnehin keine Option. Eine deutliche Steigerung der aus Wasserkraft gewonnenen Elektrizitätsmenge ist alleinaus der
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