Abgeschaltet
also die Schwerkraft genutzt, um aus der »unordentlichen« Bewegungsenergie der Wellen zunächst Lageenergie zu gewinnen. Der 2003 im dänischen Fjord Nissum Bredning ausgesetzte Prototyp war eine der wenigen Konstruktionen, die nicht schon in der Testphase von den Wellen zerstört wurde. Allerdings riss im Januar 2005 ein starker Sturm die Plattform aus ihrer Verankerung – die Forscher hatten eine Messeinrichtung in die Ankerkette integriert, die der Belastung nicht standhielt. »Wir hatten damals schon jede Menge Schwierigkeiten mit dem Prototypen«, räumt Wilfried Knapp von der Technischen Universität München ein. »Zum Teil waren es wirklich dumme Kleinigkeiten. Aber nichts, was das Funktionsprinzip grundsätzlich in Frage gestellt hätte.«
Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts wurde nicht nur die Funktion, sondern auch die ökologische Verträglichkeit des Wellendrachens geprüft. Am Ende von Gesprächen mit 56 verschiedenen Interessengruppen in Wales, wo das erste Kraftwerk in Originalgröße gebaut werden sollte, waren alle gravierenden Befürchtungen ausgeräumt. Akustische Messungen ergaben, dass das Turbinengeräusch deutlich geringer wäre als das vorbeifahrender Schiffe. Die schwimmenden Plattformen könnten sogar als Fischreproduktionsreservate dienen, da aufgrund der Verankerung das Fischen mit Schleppnetzen unmöglich wird.
Baden ging das Projekt dann in der Finanzkrise 2009, als die geplante, wesentliche größere Pilotanlage nicht finanziert werden konnte. Pionier Knapp hat den Eindruck, dass es vielen anderen Projekten nicht besser geht. »Es ist ein bisschen die Luft raus.« Allenfalls würden Prototypen ausgebracht, aber die Euphorie, die noch vor wenigen Jahren herrschte, sei erloschen.
Sollte es dennoch gelingen, den Wellendrachen wiederzubeleben oder ein anderes Forschungsprojekt zum Erfolg führen, wäre eine Nutzung der Wellenenergie eine interessante Ergänzung zu Windkraftanlagen im Meer. Denn die Wellen bauen sich stets zeitversetzt zur Luftbewegung auf. Zwischen dem Höhepunkt eines Sturmes und dem maximalen Wellengang liegen etwa zweieinhalb Stunden. Kombiniert man also Wind- und Wellenkraftnutzung, kommt man zu einer gleichmäßigeren Stromerzeugung. Vielleicht führt dies eines Tages sogar zu schwimmenden Kombikraftwerken im Meer, die sich die Stromführung teilen. Angesichts der aktuellen Schwierigkeiten, die Wellenkraft überhaupt zu nutzen, ist das allerdings noch Zukunftsmusik.
Unerschlossene Potenziale bietet also auch die Wasserkraft als Klassiker unter den erneuerbaren Energien – selbst dann, wenn der Neubau großer Talsperren nur begrenzt erfolgt: Bestehende Anlagen können effizienter gestaltet oder durch einen Neubau ersetzt werden, wie wir am Beispiel Rheinfelden gesehen haben. Kleine Anlagen mit minimalem Landschaftseingriff tragen vielleicht künftig zu einer nachhaltigen Stromproduktion bei. Und die technisch noch weitgehend ungenutzten Kräfte, die Gezeiten und Wellen in sich bergen, sind mit weiterer Forschung zu erschließen. Insgesamt ist bei einem steigenden Weltenergiebedarf jedoch kaum davon auszugehen, dass der relative Anteil der Wasserkraft deutlich gesteigert werden kann.
Ganz anders sieht es bei der Windkraft aus: Im Gegensatz zur Wasserkraft besitzt sie ein erhebliches Ausbaupotenzial. Doch auch dies liegt vor allem auf hoher See.
VON DER ÖKOPHANTASIE ZUM MILLIARDENGESCHÄFT: WIE WINDKRAFT EFFEKTIVER WIRD
»In diesem Augenblick erhob sich ein leichter Wind und die großen Flügel begannen sich zu bewegen. Als Don Quijote dies sah, rief er: ›Und wenn Ihr auch mehr Arme erhöbet als der Riese Briareus, solltet Ihr’s mir dennoch bezahlen.‹«
Miguel de Cervantes Saavedra, Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha
Endlich ist es so weit. Heute werde ich das erste Mal einen Offshore-Windpark besuchen. Fast vier Monate habe ich mit Anfragen, Warten und Recherche verbracht. Dass es so lange gedauert hat, habe ich mir teilweise selbst zuzuschreiben. Ich wollte keine Versuchsanlage besuchen, wie sie mit Alpha Ventus vor der deutschen Küste betrieben wird, sondern einen Park, der sich als Kraftwerk bewährt hat und nun im Normalbetrieb läuft. Denn anders als andere erneuerbare Energien ist die Windkraft längst über das Stadium einzelner Pilotprojekte hinaus.
Wer solche Windparks sehen will, der muss nach Großbritannien oder Dänemark. Mein ursprünglicher Plan, mir den derzeit weltweit größten Windpark Thanet im Südosten
Weitere Kostenlose Bücher