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Elektronen zufließen – diese Elektronen auf, in der anderen Kammer gibt das Vanadium die gleiche Anzahl Elektronen wieder ab. Praktischerweise lässt sich das Ganze auch umkehren, wenn man den Strom zurückhaben will.
Um zusätzlichen Strom zu speichern, muss man nur die Tanks größer machen und mehr von der Vanadiumflüssigkeit zufügen. Neben der Skalierbarkeit haben Redox-Flow-Batterien noch zwei weitere Vorteile: Sie entladen sich kaum von selbst. Und der Systemwirkungsgrad liegt mit 75 Prozent deutlich über dem, was man beispielsweise mit der Wasserstofferzeugung retten kann. Allerdings ist die Energiedichte noch gering, sie entspricht etwa heutigen Bleibatterien, wie wir sie unter der Motorhaube haben. Während, beispielsweise am Fraunhofer Institut für Chemische Technologie in Pfinztal, noch geforscht wird, gibt es schon erste Anwendungen in der Praxis. Beim nordirischen Windpark Sorne Hill in der Grafschaft Donegal wurde eine Vanadiumbatterie mit 12 Megawattstunden Energie-Inhalt installiert. Aus ganz pragmatischen Gründen: Der Windpark erzeugt mehr Strom, als vom örtlichen Leitungsnetz weitertransportiert werden kann.
Sollte es gelingen, die Kosten der Redox-Flow-Batterie deutlich zu verringern, wäre sie in Verbindung mit Photovoltaik eine gute Lösung für abgelegene Orte in Entwicklungsländern oder Inseln im Pazifik, die noch gar nicht an die Stromversorgung angeschlossen sind. Zu warm darf es allerdings dort nicht sein: Bei Temperaturen ab 40 Grad kristalliert das Vanadiumoxid aus, Zellen und Leitungen setzen sich zu.
ADELE: KEINE LUFTNUMMER
Statt komplizierter Zellchemie tut es vielleicht auch pure Luft. Mit Luft Energie zu speichern und zu übertragen ist für Ingenieure zunächst einmal gar nichts Ungewöhnliches: Die Disziplin der Pneumatik, auf Deutsch Drucklufttechnik, gibt es seit Jahrhunderten. Das erste aufsehenerregende Experiment, das die Kraft des Luftdrucks demonstrierte, führte der Magdeburger Bürgermeister und Universalgelehrte Otto von Guericke im 17. Jahrhundert durch: Er verband zwei Halbkugeln von etwa 40 Zentimetern Durchmesser und pumpte mit der von ihm erfundenen Luftpumpe alle Luft heraus, so dass im Inneren der Kugeln ein Vakuum entstand. Im »Lexikon aller Wissenschaften und Künste« aus dem 18. Jahrhundert steht zum weiteren Verlauf des Experiments: »Nachdem er die Lufft daraus gezogen, konnten 16 Pferde, deren 8 an jeder Seite angespannt worden, dieselben nicht von einander reissen.« Vakuumgreifer, die das gleiche technische Grundprinzip aufgreifen, bewegen heute in der gesamten Industrieproduktion Bauteile, deren Oberfläche nicht beschädigt werden darf: empfindliche Solarmodule genauso wie schwere Karosserie-Bauteile. Zwar ohne Vakuum, aber mit stark komprimierter Luft arbeiten die Bremsen aller 40-Tonner und sonstiger schwerer Nutzfahrzeuge.
Luft hat zwei entscheidende Vorteile: Sie ist reichlich vorhanden, und sie lässt sich gut verdichten. Wenn man sie verdichtet, speichert sie viel Energie, die erst wieder frei wird, wenn sie sich entspannen darf. So arbeitet auch die Lkw-Bremse: Mit einem Verdichter wird die Luft in einem Vorratstank auf mehr als 8 bar komprimiert. Tritt der Fahrer dann aufs Bremspedal, strömt diese Luft durch Leitungen in Richtung Rad und drückt dort den Bremssattel auf die Bremsscheibe, das Fahrzeug kommt zum Stillstand. Die gewaltige Kraft komprimierter Luft für die Stromspeicherung zu nutzen, ist keine ganz neue Idee. Seit 1978 ist im niedersächsischen Huntdorf ein Gaskraftwerk in Betrieb, das mit überschüssiger Elektrizität Luft in zwei unterirdischen Kavernen speichern kann. Dass es das einzige in Europa geblieben ist, liegt an seinem niedrigen Wirkungsgrad, er beträgt nur 42 Prozent und ist damit gegenüber Pumpspeicherkraftwerken nicht konkurrenzfähig.
Wieder einmal ist die Physik schuld. Denn beim Verdichten erhitzt sich das Gas, die Hälfte der elektrischen Energie wird in Wärme umgesetzt. Die Wärme geht aber in den bisherigen Anlagen verloren.Genau hier setzt ein Zehn-Millionen-Euro-Forschungsprojekt an, das unter Federführung des Energieversorgers RWE betrieben wird. Es trägt den Namen »ADELE«, ein Akronym für »Adiabate Druckluftspeicher für die Elektrizitätsversorgung«. Nicht-Ingenieure müssen über das Wort adiabat nicht stolpern, es bedeutet lediglich, dass sich der Zustand eines Systems ändert, also beispielsweise Druck und Temperatur, ohne dass es zu einem Energieaustausch mit der Umgebung
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