Abgeschaltet
sehr billig werden, und es kann nun Licht, Galvanometallurgie usw., selbst kleine elektromagnetische Maschinen, die ihre Kraft von großen erhalten, möglich und nützlich werden.«
Es ist sicher nicht verkehrt, die Geschichte der Industrialisierung als Geschichte der Energie zu schreiben. Denn es besteht kein Zweifel daran, dass unser Wohlstand – wie immer wir ihn genau definieren – dadurch entstanden ist, dass wir Maschinen für uns arbeiten lassen. Was Maschinen dafür benötigen, ist Energie, elektrische oder chemische, in Form von (meist fossilen) Brennstoffen. Dennoch wäre es unzulässig, von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen, solange es sich nicht um ein immerwährendes physikalisches Gesetz handelt. Daher ist es richtig, hier alles in Frage zu stellen: Wie viel Energie benötigen wir, wenn Mitte des 21. Jahrhunderts neun bis zehn Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben und gleichzeitig nach Wohlstand streben? Können wir diesen Wohlstand für alle auch erreichen, wenn wir weniger Energie verbrauchen?
ARM UND REICH
Beinahe im Wochentakt erscheinen neue Studien dazu, wie der Weltenergieverbrauch sich entwickeln wird. Natürlich variieren die Ergebnisse je nach Verfasser (so kommt die BP auf deutlich höhere Steigerungsraten als Greenpeace). Ein Gemeinsames haben sie jedoch: Der Energieverbrauch steigt, allen Effizienzmaßnahmen zum Trotz. Sieht man sich länderspezifische Daten an, so ist der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Energie recht einfach: Der Durchschnittsbürger eines reichen Landes benötigt viel Energie,der eines armen Landes wenig. Das Minimum, um den Körper am Leben zu erhalten, ist eine Durchschnittsleistung von 100 Watt, so viel wie vor dem Siegeszug der Energiesparlampen eine einzige, sehr helle Glühbirne benötigte. Sehr arme Staaten liegen unter diesem Schnitt, sprich die Menschen hungern. Der Durchschnittsdeutsche liegt mit seiner Leistung um den Faktor sechzig darüber. Amerikaner und Kanadier schaffen es mit ihrem aufwändigen Lebensstil, noch einmal fast doppelt so viel Leistung abzufordern. Da der größte Teil dieses Leistungsbedarfs durch fossile Energiequellen gedeckt wird, korrelieren die Kohlendioxidemissionen fast linear mit diesen Werten: Etwa zehn Tonnen beträgt die Jahresemission des Durchschnittsdeutschen, rund 20 die eines US-Bürgers.
Wenn man den Energieverbrauch ganz deutlich reduziert, sagen wir um die Hälfte in Europa und um 75% in Nordamerika, dann ist das über einen längeren Zeitraum ohne Wohlstandsverlust in den Industriestaaten möglich. Wegweisend war das 1995 erschienene Buch »Faktor vier«, mit dem Ernst Ulrich von Weizsäcker anhand realer technischer Optionen zeigte, dass die Menschheit den doppelten Wohlstand mit halbem Ressourceneinsatz erreichen kann. Mittlerweile hat Weizsäcker auf den Faktor fünf erhöht, der einer 80-prozentige Steigerung der Ressourceneffizienz entspricht. Aber auch der genügt nicht, um unseren Lebensstandard zu wahren. »Die Erde reicht nicht aus, um alle materiellen Träume einer ständig wachsenden Weltbevölkerung zu erfüllen«, so das Resümee des Trägers eines alternativen Nobelpreises. Er trifft damit den Nagel auf den Kopf: Nur ungefähr eine Milliarde Menschen lebt heute auf unserem Wohlstandsniveau, der Rest der Menschheit wird alles dafür tun, den gleichen Wohlstand zu erreichen. Wer würde es einem Mexikaner, Chinesen oder Nigerianer denn ins Gesicht sagen wollen: »Du brauchst keinen Kühlschrank, keine Klimaanlage und schon gar kein Auto!«
»Energiesparen ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung«, sagt der Physiker Günter Hasinger, den wir im Kapitel über die Kernfusion noch näher kennenlernen werden. Eine unbequeme Wahrheit. Eine Wahrheit, die sich aus der Wohnzimmerperspektive eines Stilaltbaus in Berlin, Frankfurt oder München nicht sofort erschließt. Weil wir als Gesellschaft nicht mehr wachsen, weil wir alles haben, was wir brauchen, und manches darüber hinaus. Weil wir uns nicht schwer damit tun, ein paar Cent mehr für eine Kilowattstunde Strom zu bezahlen, wenn der ökologisch erzeugt wurde. Ein Spaziergang, zu nächtlicher Stunde in Mumbai, wäre für manchen aus der »Wir müssen alle nur etwas sparen«-Fraktion hilfreich. In keiner anderen Stadt der Welt habe ich Reichtum und erschreckende Armut so nahe beieinander gesehen.
Doch gehen wir einmal davon aus, dass mit der halben deutschen Leistung ein ordentliches Leben möglich ist, mit drei
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