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hydrothermalen Karbonisierung möglich ist. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem mit Hilfe von Wärme, Wasserdampf und Druck – ähnlich einem Dampfkochtopf – praktisch der gesamte in den Pflanzen gebundene Kohlenstoff zu Kohle wird. Mit Hilfe von Katalysatoren geht das »Auskochen« der Kohle mittlerweile recht schnell, in wenigen Stunden statt der Millionen von Jahren, die die Natur zur Kohleherstellung braucht.
Gegenüber den zuvor diskutierten CCS-Verfahren hätte die hydrothermale Karbonisierung den großen Vorteil, dass Kohle ein Feststoff ist, der bedeutend einfacher gelagert werden könnte; ein Entweichen in die Atmosphäre ist nicht zu befürchten. Man könnte die menschengemachte Kohle sogar als Dünger einsetzen. Zumindest im Amazonas-Becken hat sich dieses Verfahren schon vor 500 Jahren bewährt. Eine indianische Hochkultur mehrte die Fruchtbarkeit ihrer Böden, indem sie »terra preta«, Schwarzerde also, aus Holzkohle, Dung und Pflanzenabfällen herstellte.
Natürlich kann man viele Einwände geltend machen: Zehn Prozent der weltweit nachwachsenden Biomasse zu ernten und umzuwandeln, das bedarf eines erheblichen Energieaufwands. Der Bedarf an Fläche wäre enorm, selbst wenn man besonders schnell wachsende Pflanzen einsetzt. Und dauerhaft ist die Lösung auch nicht, denn es führt lediglich dazu, dass die begrenzten fossilen Reserven klimaneutral genutzt werden können. Aber es sagt ja auch niemand, dass wir unseren Energiehunger allein auf diesem Weg decken sollten. Sondern dass es sich um eine weitere gute Idee für eine vermutlich funktionierende Kohlenstoffsenke handelt, die wir verfolgen sollten. Und die hinsichtlich des Flächenbedarfes vermutlich deutlich effektiver ist als die Versorgung der Welt mit Biokraftstoffen, da hierbei die Umwandlungsverluste deutlich höher sind. Auch hinsichtlich der Kosten scheint das Verfahren recht effektiv: Die Wissenschaftler meinen, mit 20 US-Dollar je Tonne Kohlendioxid hinzukommen. Das entspräche einem Aufpreis von zehn Prozent auf die heutigen Treibstoffkosten, während die Produktion von nachhaltigen Biokraftstoffen der zweitenGeneration mindestens doppelt so teuer ist wie die Herstellung von Benzin und Diesel.
Stattdessen ist auch vorgeschlagen worden, die aus Biomasse gewonnene Kohle zu verstromen, ganz konventionell im Kraftwerk, und das Kohlendioxid abzuscheiden und unterirdisch zu speichern. Auch in diesem Fall hätte man Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt. Gleichzeitig ist aus energetischer Sicht ein solches Vorgehen günstiger, weil mit dem erzeugten Strom der Energieeinsatz für Anbau, Transport und Verkohlung der Biomasse »bezahlt« werden könnte.
AUF BESSERE WIRKUNG AUS
Nun ist CCS aber nicht das einzige Thema, das Wissenschaftler und Ingenieure umtreibt, die an der Weiterentwicklung von Kohlekraftwerken arbeiten. Denn die besten Emissionen sind ja immer jene, die gar nicht erst entstehen. Also gilt es, möglichst viel Energie aus einer bestimmten Menge Kohle herauszuholen. Und das geht vor allem, indem man die Temperatur des Wasserdampfs erhöht, der für den Antrieb des Generators verwendet wird.
Das heute beste Steinkohlekraftwerk Deutschlands steht in Rostock; es ging 1994 in Betrieb und erreicht einen Wirkungsgrad von 43,2 Prozent. Es arbeitet mit Temperaturen von bis zu 560 Grad Celsius und Dampfdrücken bis zu 262 bar. Gelänge es, die Temperaturen auf mehr als 700 Grad Celsius und den Druck auf mehr als 350 bar zu erhöhen, wäre ein Wirkungsgrad von mehr als 50 Prozent machbar. Das klingt vielleicht nicht nach einem Riesensprung, ist es aber. Wenn der Wirkungsgrad von 45 auf 50 Prozent steigt, bedeutet dies, dass je Kilowattstunde 669 statt 743 Gramm Kohlendioxid emittiert werden. Abgesehen davon, dass weltweit die durchschnittliche Emission bei 1116 Gramm liegt, es sich also in jedem Fall lohnt, auf neue Technik zu setzen.
Die größte technische Hürde für 700-Grad-Kraftwerke sind derzeit die hochtemperaturfesten Materialien, die für den Kessel, die Leitungen und andere Bauteile benötigt werden. Es gibt sie schlichtweg noch nirgends zu kaufen. Aus anderen Hochtemperaturanwendungen weiß man aber, dass der Weg über Nickel-Legierungen wohl funktionieren wird. Hat man diesen Sprung in eine neue Materialklasse erst einmal bewältigt, dann scheinen sogar 800 Grad Celsius machbar. Es gibt darüber hinaus eine nicht unwesentliche politisch-gesellschaftliche Hürde: Neue Kohlekraftwerke werden in Deutschland
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