Abgeschaltet
CCS.« Praktiker bestätigen dies, beispielsweise habe ich von den internen Planungen eines Energieversorgers gehört, der eine erste Anlage mit CCS ausstatten und diese dann bevorzugt laufen lassen will. Das kommt einem künftigen Energiesystem, bei dem die fossilen Kraftwerke das Rückgrat für solche Zeiten bilden, in denen die fluktuierenden erneuerbaren Energien nicht zur Verfügung stehen, nicht unbedingt entgegen. Und es macht den Kohlestrom zumindest gegenüber dem teureren Strom aus emissionsärmeren Gaskraftwerken weniger wettbewerbsfähig. Ein zusätzliches Problem bei Lastschwankungen tritt dadurch auf, dass manche chemische Verfahren nicht schnell genug reagieren, so dass die Abscheideraten zeitweise auf unter 90 Prozent sinken. Allerdings wird an diesem technischen Problem bereits gearbeitet, zum Beispiel durch eine gute Wärmeisolation der Absorbermedien.
Große industrielle Kohlendioxidemittenten wie Stahl- und Zementwerke könnten die CCS-Verfahren, die zur Rauchgasreinigung von Kraftwerken entwickelt werden, theoretisch bereits in den kommenden Jahren einsetzen. Sie werden darüber allerdings nach rein wirtschaftlichen Aspekten entscheiden. Ist die Abtrennung günstiger als das Emissionszertifikat, werden neuere Produktionsanlagen schnell nachgerüstet werden. Sofern sich das Erzeugnis nicht gut über weite Strecken transportieren lässt. Denn solange es keinen globalen Emissionshandel gibt, werden energieintensive Unternehmen, vor allem der Rohstoffbranche, zusätzliche Kosten immer gegen eine Verlagerung aus dem europäischen Raum heraus abwägen. Zwar ist es etwas zu polemisch, den Konzernen daraus einen moralischen Strick zu drehen, denn tatsächlich kostet eine umfangreiche Verlagerung ja auch, insbesondere wertvolles Know-how. Aber »koste es, was es wolle«, das kann sich kein Unternehmen leisten.
RECYCLING IST BESSER ALS WEGWERFEN
Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen und den Ausstieg aus der Kernenergie ebenso, dann führt wahrscheinlich nichts an CCS vorbei. Trotzdem ist es mit Sicherheit nicht im strengen Sinn nachhaltig, einen Abfallstoff in großen Mengen unterirdisch zu lagern. Nachhaltig wäre ein geschlossener Stoffkreislauf, bei dem Kohlendioxid oder der darin gebundene Kohlenstoff wiederverwertet werden kann. Ganz absurd ist diese Idee nicht, bereits heute wird CO 2 in der Industrie eingesetzt, beispielsweise in Getränken oder als Kältemittel. Weltweit benötigt man dafür rund 20 Millionen Tonnen. Dr. Alexis Bazzanella, der beim Branchenverband Dechema die Forschungsförderung vorantreibt, glaubt nicht an eine große Steigerung dieses Verwertungsweges: »Viel mehr Cola kann man gar nicht trinken.« Wichtiger ist der Einsatz als Prozessmedium in der chemischen Industrie, beispielsweise als Lösungsmittel. Die bekannteste Anwendung ist die Herstellung von entkoffeiniertem Kaffee. Das Problem: In solchen Prozessen wird das CO 2 in der Regel nicht verbraucht, sondern im Kreis geführt. Direkt verwendet wird CO 2 heute bei der Herstellung von Harnstoff, den man vor allem als Dünger einsetzt. Zwar verbraucht die Harnstoffproduktion mehr als 100 Millionen Tonnen CO 2 im Jahr, aber der zweite Ausgangsstoff – Ammoniak – kann nur mit hohem Energieaufwand hergestellt werden. Die Netto-Kohlendioxidbilanz ist also negativ, solange die Produktionsenergie nicht aus regenerativen Quellen stammt.
Derzeit wird intensiv daran geforscht, wie man Polymere, also Kunststoffe, auf Basis von Kohlendioxid zusammenbauen kann. Eine charmante Option, denn damit sinkt gleichzeitig der Rohölbedarf. Am erfolgversprechendsten ist derzeit die Verwendung für Polycarbonate (das sind harte, durchsichtige Kunststoffe, wie sie beispielsweise für moderne Autoscheinwerfer verwendet werden) und in den Ausgangsprodukten für Polyurethane (sehr weiche Kunststoffe, die in der Regel aufgeschäumt werden und sich dann in Matratzen oder Autocockpits wiederfinden). Gemeinsam ist diesen Stoffen, dass das Basismolekül ohnehin eine Kohlenstoff-Sauerstoff-Verbindung enthält, das Kohlendioxid mithin nur eingebaut werden muss. Viel schwieriger wäre es, den Kohlenstoff ohne den daran hängenden Sauerstoff weiterzuverwenden. Grund dafür ist der hohe Energieaufwand, der benötigt wird, um das extrem stabile Kohlendioxid wieder aufzubrechen. In einer sehr fernen Zukunft ohne fossile Reserven müsste die Menschheit allerdings einen Weg finden, Kohlenstoff, der für organische Verbindungen zwingend benötigt wird, ohne
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