Abgeschaltet
heißen Dampf zu produzieren, der eine konventionelle Dampfturbine antreibt. Und weil auch die das Wasser nicht auf das ursprüngliche Temperaturniveau zurückbringt, kann man damit sogar noch ein Fernwärmenetz betreiben – wenn man denn Abnehmer in der Nähe hat.
Wenn wir vorher die Temperatur als entscheidenden Parameter für den Wirkungsgrad bezeichnet haben, so müsste klar sein, dass 1500 Grad deutlich besser als 600 oder 700 Grad sind. Und tatsächlich: Gas-und-Dampf-Kraftwerke schlagen Kohlekraftwerke deutlich. Den aktuellen Weltrekord hält das im Frühjahr 2011 in Betriebgenommene Kraftwerk in Irsching mit knapp über 60 Prozent – ohne Fernwärmeauskopplung.
Warum ein GuD-Kraftwerk schneller auf Touren kommt als ein »nur« mit Dampf betriebenes Kohlekraftwerk, kann man herleiten, indem man sein Auto an einem kühlen Wintermorgen startet. Dreht man den Schlüssel herum, springt der Motor sofort an (sofern die Starterbatterie geladen ist) und man kann losfahren. Die Gasturbine in einem Kraftwerk ist eine Verbrennungskraftmaschine wie der Hubkolbenmotor im Fahrzeug, sie liefert mechanische Energie sofort nach dem Zünden. Allerdings wird man im Auto zunächst etwas frieren, weil es einige Minuten dauert, bis das Kühlwasser genug Abwärme vom Motor abbekommen hat, um den Innenraum zu heizen. Ganz ähnlich muss der Dampfkreislauf in einem Kohlekraftwerk erst auf Temperatur kommen. Diese Flexibilität – in Verbindung mit der sehr sauberen Verbrennung – ist es, die erdgasbetriebene Kraftwerke zum idealen fossilen Rückgrat einer grundsätzlich auf »Erneuerbaren« basierenden Energiewirtschaft macht.
500000 PFERDESTÄRKEN AUS DER NÄHE BETRACHTET
Von weitem sehe ich bereits drei sehr hohe, schlanke, weißrote Schornsteine. Hier bin ich richtig, auch wenn das Dorf Irsching, zehn Kilometer östlich von Ingolstadt an der Donau gelegen, so winzig und unscheinbar ist, dass ein großes Kraftwerk nicht hierherzugehören scheint. Die drei Schornsteine gehören zu den ältesten Kraftwerkblöcken, von denen nur noch einer in Betrieb ist. Ich will Block 4 sehen. Zum Zeitpunkt meines Besuchs befindet er sich noch in der finalen Erprobung. Mein Glück, denn so kann ich einen Blick auf sein Herzstück werfen: die leistungsstärkste und effizienteste Gasturbine der Welt. Auf die Gasturbine kommt es nämlich an, sie liefert etwa zwei Drittel des gesamten Stroms, der Rest kommt aus den nachgelagerten Dampfprozessen.
Für eine technische Prüfung geöffnet, liegt sie halbnackt vor mir, wie ein überdimensioniertes Flugtriebwerk. Dabei ist sie mit 444 Tonnen schwerer als ein unbetankter Airbus A380. Ihre Leistung von mehr als 500000 PS sieht man ihr nicht an. Unsichtbar bleibt vor allem die Technik, die erst die Gesamteffizienz des Kraftwerks von mehr als 60 Prozent ermöglicht. Beispielsweise wird der Brennstoff auf 215 Grad Celsius vorgeheizt, um eine Verbrennung mit höherer Temperatur zu ermöglichen. Die größte Herausforderung für die Ingenieure war es aber, die Turbinenschaufeln so zu gestalten, dass sie das mehr als 1500 Grad heiße Gas dauerhaft vertragen – und das bei einer Fliehkraft von zehntausendfacher Erdanziehung, die auf die Schaufeln wirkt.
Optimiert wurde die Turbine aber nicht nur auf maximalen Wirkungsgrad bei voller Leistung, sondern auch auf hohe Effizienz im Teillastbetrieb. Daher sind die ersten vier Ringe mit Leitschaufeln, die die Luft vor dem Brennraum verdichten, verstellbar ausgeführt. Die Turbine ist minimal mit etwa 45 Prozent der Volllast zu betreiben, allerdings sinkt dann der Wirkungsgrad auf etwa 35 Prozent. Theoretisch wäre noch weniger möglich, aber bei sehr niedrigen Lasten entsteht der Schadstoff Kohlenmonoxid. Auch dass man in der Turbine Luft statt Dampf zur Kühlung einsetzt, ist der von GuD-Kraftwerken geforderten Flexibilität geschuldet. Sie muss in weniger als einer halben Stunde von null auf ihre Nennleistung fahren können, bei einem Schnellstart sollen 350 Megawatt nach zehn Minuten erreicht sein. Innerhalb einer Minute muss eine Laständerung von 35 Megawatt möglich sein. Die Flexibilität wird auch genutzt, wie der Produktionsleiter erzählt: »Da holt man mal einen Zettel aus dem Büro des Schichtführers, kehrt zwei Minuten später zurück, und die Anlage läuft auf voller Last.« Den wirkungsgradsteigernden Dampfprozess beschreibt er als »Bremsklotz«, denn der ist nur vollflexibel, wenn die gesamte Anlage noch warm ist. Deshalb ist zwischen Gasturbine
Weitere Kostenlose Bücher