Abgeschaltet
mittlerweile fast so heftig bekämpft wie Kernkraftwerke. Statt neuer, hocheffizienter Kraftwerke laufen unter dem Druck von Umweltverbänden und Anrainern ältere und ineffizientere Anlagen länger als notwendig.
Kraftwerke mit einer Frischdampftemperatur von 600 Grad sind technisch heute schon darstellbar, zehn von ihnen mit einer Gesamtleistung von mehr als zehn Gigawatt sollten im Zeitraum 2010 bis 2012 ans Netz gehen. In diesen Effizienzkraftwerken beträgt der Wirkungsgrad bis zu 46 Prozent, wenn Steinkohle verbrannt wird, und maximal 44 Prozent beim Einsatz von Braunkohle. Allerdings verlangen bereits diese Temperaturen neue Varianten bestehender Stahllegierungen, die mit Titan und Vanadium härter gemacht werden. Zumindest bei einzelnen Lieferanten scheint es 2011 erhebliche Schwierigkeiten zu geben, die geforderte Stabilität im Kraftwerkseinsatz tatsächlich zu erbringen – die Dampfkessel, ausgelegt auf eine Lebensdauer von 30 Jahren und mehr, zeigten bereits im Probebetrieb Spannungsrisse. Die Inbetriebnahme der neuesten Kraftwerkgeneration dürfte sich daher deutlich verzögern. Für Umwelt- und Klimaschützer, die nicht radikal gegen alles Neue sind, ist das keine gute Nachricht. Denn der fehlende Atomstrom wird dann zur Not über die sogenannte Kaltreserve gedeckt. Darunter versteht man alte, eigentlich stillgelegte Kohlekraftwerke, teilweise aus den 60er Jahren, die jedoch gewartet werden, damit man sie in schlechten Zeiten innerhalb von zwei bis drei Tagen wieder in Betrieb nehmen kann. Sie dürften bis zu doppelt so viel Kohlendioxid emittieren wie moderne Kraftwerke.
Die heimische Braunkohle kann übrigens noch deutlich effektiver genutzt werden, als dies heute der Fall ist. Bislang steht sie deutlich schlechter da als Steinkohle: Um sie überhaupt verbrennen zu können, muss sie vorher getrocknet werden, was ziemlich viel Energie kostet. Die Ausnutzung der theoretisch in der Braunkohle vorhandenen Energie ist daher um bis zu ein Drittel geringer als bei Steinkohle. Neue Trocknungsverfahren, die im Prozess entstehende Abwärme nutzen, können den Gesamtwirkungsgrad des Kraftwerkes um fünf bis zehn Prozent steigern.
Ganz sicher ist: Wo wir in einer künftigen Energielandschaft noch fossile Kraftwerke einsetzen, müssen diese sehr flexibel betrieben werden können, um die schwankende Erzeugung durch Windkraft und Photovoltaik auszugleichen. Diese Schwankungen sind groß und erfolgen mit relativ hoher Geschwindigkeit. Vergleicht man nur das Ausbauszenario der Bundesregierung für 2020 mit derheutigen Stromnachfrage an einem typischen Novembertag, wird man feststellen: Die Lücke, die durch fossile Kraftwerke gedeckt werden muss, kann innerhalb eines einzelnen Tages um 40 Gigawatt schwanken. Und noch dramatischer: Es kann passieren, dass innerhalb nur einer Viertelstunde drei Gigawatt zusätzliche Leistung benötigt werden. Und 15 Minuten später wiederum drei Gigawatt mehr.
Kohlekraftwerke gelten allgemein als sehr träge, sie laufen und laufen. Außerdem verlieren sie deutlich an Effizienz, wenn sie nicht im Bestpunkt betrieben werden. Eine flexible Steuerung gilt aber für das künftige Energiesystem als unverzichtbar. Also doch lieber ganz auf die schneller umschaltenden Gaskraftwerke setzen? Ganz so träge, wie man unterstellt, sind Kohlekraftwerke jedoch nicht. Laut Professor Hartmut Spliethoff, der an der Technischen Universität München das Fach Energietechnik lehrt, kann ein modernes Kohlekraftwerk innerhalb von 15 Minuten von 30 auf 100 Prozent seiner maximalen Leistung hochgefahren werden – umgekehrt funktioniert das auch. Sind 30 Prozent momentan noch die Untergrenze für einen wirtschaftlichen Betrieb, werden es bei künftigen Generationen 25 Prozent sein. Steht das Kraftwerk für maximal 48 Stunden still, so kann es innerhalb von drei Stunden wieder angefahren werden. »Gute Wetterprognosen sind auf jeden Fall eine wichtige Voraussetzung«, so Spliethoff.
Darüber hinaus wird bei der Weiterentwicklung der Kohlekraftwerke darauf geachtet, dass nicht mehr nur der Wirkungsgrad im Bestpunkt immer weiter optimiert wird. »Wenn der Wirkungsgrad bei Teillast immer schlechter wird, bringt das auch nichts«, erläutert Dr. Jochen Seier, der für den Projektträger Jülich Forschungsprogramme des Wirtschaftsministeriums koordiniert. »Denn die Kraftwerke werden immer häufiger in diesen Bereichen betrieben werden.« Er rechnet damit, dass die Forschung stärker in dieser Richtung
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