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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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sich den Infusionsschlauch aus dem Arm reißen.
    »Die Bilder waren entsetzlich. Aber sie waren nicht das Schlimmste«, sagte Hannah mit bebender Unterlippe. »Noch schlimmer war, was er gesagt hat. Was dieser Sadler ihr antun wollte, wenn er zurückkommt. Glaub mir, Papa. Ich wäre auch gesprungen.«
    Sie öffnete wieder die Augen, fixierte ihn mit einem klaren, kalten Blick, den er noch nie zuvor an seiner Tochter gesehen hatte.
    »Durftest du das Band nicht stoppen?«, fragte Herzfeld. »Womit haben sie dir gedroht, wenn du nicht hinsiehst?«
    Die Antwort traf ihn wie ein Schlag.
    »Sie haben mich überhaupt nicht bedroht.«
    »Wie meinst du das?«
    »So, wie ich es sage: Ich stand nicht unter Zwang. Ich habe mir das Band freiwillig angesehen.«
    Herzfeld blinzelte verwirrt. »Aber um Himmels willen, Kleines. Wieso denn nur?«
    »Weil ich es wollte.«
    »Niemand will so etwas sehen, Liebling.«
    »Doch, er hat es mir erklärt. Dein Kollege, der mich hierhergebracht hat und mir die DVD gab. Er sagte, nachdem ich es mir angeschaut habe, würde ich verstehen, weshalb sie dir einen Denkzettel verpassen. Weshalb sie dem ganzen System einen Denkzettel verpassen wollen.«
    Martinek, du mieses Schwein.
    »Es geht hier nicht nur um uns, Papa. Schon morgen werden die Schlagzeilen es herausschreien, und dann wird jeder wissen, dass in unserem sogenannten Rechtsstaat Opfer keine Chance und Täter alle Rechte haben.«
    Herzfeld schloss für einen Moment die Augen. Es war offenkundig, dass Hannah hier nur Phrasen nachplapperte, die ihr von ihren Entführern eingetrichtert worden waren, und er wusste nicht, was er darauf sagen konnte, ohne sie noch mehr gegen sich aufzubringen.
    »Das Wichtigste ist jetzt, dass es dir wieder gutgeht, Liebling.«
    »Mir ging es nie schlecht.«
    »Bitte?«
    »Sie haben mich gut behandelt. Ich hatte genügend zu essen und zu trinken. Selbst an mein Asthmaspray haben sie gedacht.«
    »Gut behandelt? Sie haben dich verschleppt und eingesperrt.«
    Hannah rollte mit den Augen, als wäre ihr Vater begriffsstutzig. »Du verstehst gar nichts. Mir sollte nie ein Haar gekrümmt werden. Ich war zu keiner Zeit in Gefahr. Anfangs, als ich die Mailbox besprechen sollte, hatte ich Angst. Aber die war unbegründet. Der Dicke, dieser Schwintowski, hat sich gut um mich gekümmert.«
    »Und wenn ich nicht rechtzeitig gekommen wäre?«
    »Hättest du in zwei Tagen eine E-Mail mit einer Lageskizze bekommen. Ich habe selbst gesehen, wie Schwintowski den Timer auf seinem Handy eingestellt hat. Ha, da staunst du, was?« Sie lachte ihm höhnisch ins Gesicht.
    Verdammt, Martinek. Wieso musstest du ihr das antun?
    Nichts war so leicht zu manipulieren wie die Seele eines Teenagers. Selbst gestandene Persönlichkeiten neigen dazu, sich unter extremem Druck mit ihren Entführern zu verbünden.
    Herzfeld wusste das, nur kam er nicht mit der Erkenntnis klar, die Anzeichen eines ausgeprägten Stockholm-Syndroms bei seiner eigenen Tochter zu erkennen.
    »Alles wäre nicht passiert …«, wurde sie laut.
    Herzfeld hob die Hand, wollte sich verteidigen. »Nein, Schatz, du irrst dich …«
    »Wenn du ihm damals geholfen hättest …«
    »Das hätte nichts genützt.«
    Er wollte ihr erklären, dass er die Beweise nicht manipulieren konnte, weil es sein Job war, objektiv und unabhängig zu sein, und dass man in seinem Beruf wie in keinem anderen nur der Wahrheit verpflichtet war, aber er konnte nicht zu ihr durchdringen.
    »Und Mama hatte auch recht …«
    »Sadlers Verteidigung hätte ein manipuliertes Gutachten zerpflückt, und er wäre vielleicht sogar freigesprochen worden.«
    »Du bist widerlich. Dein Job ist widerlich …«
    »Und es hätte den Tod von Martineks Tochter nicht verhindert …«
    »Aber den von Rebecca. Du bist auch ein geschmiertes Rädchen, das das System am Leben hält.«
    Sie sprachen wild durcheinander, ihre Worte wurden immer lauter, überlappten sich und verschmolzen zu einem unverständlichen Geschrei. Keiner hörte dem anderen mehr zu, bis Herzfeld einen letzten Versuch startete und nach der Hand seiner Tochter griff.
    Hannah schrie auf, genauso laut und spitz wie die schwangere Hündin, der der Bauarbeiter in den Bauch getreten hatte, und Herzfeld wich zurück.
    »Hannah, bitte, es tut mir leid«, setzte er noch einmal an, aber es war sinnlos.
    Sie wollte nichts mehr von ihm hören und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
    Er blieb eine Weile am Bett stehen, hörte ihre Schreie, zählte ihre

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