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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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»Sie …«
    Herzfeld nickte und vervollständigte den Satz: »Sie steht unter Schock.«
    In diesem Moment riss Hannah die Augen auf, die sie bislang geschlossen gehalten hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde fixierte sie ihren Vater, zeigte dabei aber keinerlei Anzeichen des Wiedererkennens. Schlimmer noch, ihr glasiger Blick war vollkommen ausdruckslos und wanderte ins Leere.
    »Hannah, Kleines. Ich bin hier«, setzte Herzfeld an, aber sie blinzelte noch nicht einmal, wenn er direkt vor ihren Pupillen mit den Fingern schnipste. Plötzlich, Herzfeld strich ihr gerade die Haare aus der Stirn, öffnete sie den Mund.
    »Was hat sie gesagt?«, fragte der Arzt neben ihm, kaum dass der Name ihre Lippen verlassen hatte, aber auch Herzfeld hatte das Genuschel nicht verstanden. Etwas, das sich wie
Stecker
oder
Bäcker
angehört hatte.
    Oder Schlächter?
    Hannah versuchte es noch einmal, brachte aber keinen Ton mehr hervor. Gleichzeitig hob sie den Arm. Herzfeld wandte den Kopf zur Seite, sah in die Richtung, die ihm seine apathische Tochter wies. Bandrupp hatte den Fernseher auf dem Campingtisch schon viel früher bemerkt, war vermutlich von seinem flimmernden Licht in die richtige Richtung den Tunnel entlanggeleitet worden. Jetzt stand er direkt neben dem altertümlichen Ding, von dem ein Stromkabel zu mehreren zusammengeschalteten Autobatterien führte.
    Herzfeld griff nach Hannahs schlaffen Händen. Rieb ihr die kalten Finger, während er auf den Fernseher starrte. Er hatte in seinem Leben schon viele Gesichter des Todes gesehen. Doch noch nie hatte eines ihn so berührt wie das des nackten, blutverschmierten Mädchens, das an einem Strick über einer Metallpritsche baumelte.
    Wer ist das?
    Obwohl er das Gesicht der jungen Frau noch nie zuvor gesehen hatte, berührte ihn ihr Anblick, als stoße er in einem fremden Fotoalbum auf ein seltsam vertrautes Bild. Der Bildschirm zeigte den bunkerähnlichen Raum, den er vorhin schon auf der Videokamera im Bauwagen gesehen hatte.
    Wie von Geisterhand bewegt, drehte sich die viel zu junge Tote an dem Strick um die eigene Achse. Herzfeld schrie erstickt auf, als er das Schmetterlingstattoo auf dem Knöchel des Mädchens wiedererkannte.
    Nein!
    Langsam, wie von dem Sicherungsseil eines Bergsteigers gezogen, verließ er seinen Platz an Hannahs Seite und wankte dem Fernseher entgegen.
    »Nicht anfassen«, schrie er Bandrupp entgegen, doch da war es schon zu spät. Der Bürgermeister hatte den DVD -Player unter dem Campingtisch ausgeschaltet, und der Grund dafür spiegelte sich in seinen Augen, als er sich zu Herzfeld herumdrehte. Er hatte den Anblick nicht länger ertragen können.
    Aber ich muss es sehen,
dachte Herzfeld, wissend, dass die Aufnahmen, die Hannah die gesamte Zeit, die sie hier eingesperrt war, hatte ertragen müssen, eigentlich für ihn bestimmt gewesen waren.
    Er schob den Bürgermeister zur Seite, ignorierte die Grundregel, an einem Tatort nichts anzufassen, und kniete sich unmittelbar vor den Fernseher.
    Ich muss es sehen. Deswegen bin ich hierhergelotst worden.
    Er drückte auf Play, und die Wiedergabe der DVD sprang zu dem letzten, abgebrochenen Kapitel zurück.
    Zu meiner Anklage.
    Zu der Stelle, als die junge Frau noch auf den Drahtfedern ihres Lagers stand, auf dem sie ganz offensichtlich bestialisch vergewaltigt worden war; auf einer Metallpritsche in einem Kellerraum, der noch trostloser eingerichtet schien als das Verlies, in das man Hannah geworfen hatte und in dem er jetzt kniete, um Zeuge eines Aktes bitterster Verzweiflung zu werden.
    »Sie sollten sich das besser nicht anschauen«, sagte Bandrupp mit zittriger Stimme, den Blick längst abgewandt. Herzfeld rückte noch näher heran. Es knisterte, als er mit dem Finger das Gesicht des unbekannten und gleichsam vertrauten Mädchens nachzeichnete. Erstaunlicherweise schien es so, als ginge ein energiegeladener Ruck durch ihren gesamten Körper, und das kurz nachdem sie sich ein letztes Mal umgeschaut und ihr Blick einen Pappkarton neben dem Bett gestreift hatte. Die Aufnahme war gestochen scharf und in Farbe, in viel besserer Qualität als ein herkömmliches Überwachungsvideo.
    Jemand hat sich Mühe gemacht, ihre Qualen festzuhalten.
    Und es gab Ton!
    Momentan rauschte es nur, dann aber hob die junge Frau den Kopf. Ein Lächeln wischte den Ausdruck der Ohnmacht und Panik aus ihrem tränennassen Gesicht. Als Nächstes zeigte sie dem Zuschauer den Mittelfinger und rief mit unerwartet kräftiger Stimme:

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