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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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in dieser Woche.
    Scherz, der bereits das Herz entnommen hatte, entfernte nun mit geschickten Schnitten die Lunge aus dem Brustkorb und legte sie auf den Organtisch am Fußende des Seziertisches.
    »Keine Blutaspiration. Weder in der Luftröhre noch in der Lunge«, stellte Herzfeld fest, nachdem er die Bronchien aufgeschnitten hatte. Er nickte seinen Kollegen zu.
    »Postmortale Leichenzerstückelung.«
    Die Frau war schon tot gewesen, als sie verstümmelt wurde. Wäre ihr der Kiefer bei lebendigem Leib herausgesägt worden, wäre ihr unweigerlich Blut in Rachen und Kehlkopf gelaufen, das sie dann eingeatmet hätte. Zumindest diese Qual war ihr also erspart geblieben.
    Scherz quittierte diese Information mit einem gleichgültigen Grunzen. Der tägliche Umgang mit dem Tod hatte den Assistenzarzt abstumpfen lassen. Auch Herzfeld gelang es meistens, seine Gedanken bei der Arbeit in eine Art Trance zu versetzen, vergleichbar einem Autofahrer, der eine ihm bekannte Strecke nahezu automatisch fährt. Er konzentrierte sich auf den Körper und nicht auf die Seele der Person, die er obduzierte. Und er vermied jeden Kontakt mit den Angehörigen, sowohl vor als auch nach der Sektion, um emotional nicht beeinflusst zu werden. Er brauchte einen kühlen Kopf, wenn es darum ging, gerichtsfeste Beweise zu sammeln. Letzte Woche erst hatten die Eltern eines Mordopfers darum gebeten, mit dem Rechtsmediziner sprechen zu dürfen, der ihre missbrauchte elfjährige Tochter obduziert hatte. Herzfeld hatte abgelehnt, wie immer. Denn mit dem Bild einer weinenden Mutter im Hinterkopf lag die Versuchung nahe, zielstrebig auf die Verurteilung des mutmaßlichen Mörders hinzuarbeiten und dabei einen Fehler zu machen, der am Ende womöglich sogar einen Freispruch ermöglichte. Aus diesem Grund bemühte er sich, seine Gefühle bei der Arbeit so weit wie möglich zu unterdrücken. Dennoch verspürte er Erleichterung, dass die Unbekannte auf seinem Tisch nicht bei lebendigem Leib zerstückelt worden war.
    »Kommen wir jetzt zum Mageninhalt …«, sagte er, als hinter ihm geräuschvoll die Schiebetür zum Sektionssaal aufgezogen wurde.
    »Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung.«
    Herzfeld und seine Kollegen drehten sich zu der Stimme im Eingang und musterten einen jungen Mann, der eiligen Schrittes in den Raum stürmte. Er trug den gleichen blauen Funktionskittel wie alle anderen, nur dass ihm seiner etwas zu klein geraten war.
    »Und Sie sind …?«, fragte Herzfeld den hochgewachsenen Mann, der mit jedem Schritt, den er auf Herzfeld zukam, jünger zu werden schien. Auf den ersten Blick hätte er ihn auf Mitte zwanzig geschätzt. Jetzt, als er unmittelbar vor ihm stand, korrigierte Herzfeld das Alter des Besuchers um einige Jahre nach unten. Der hagere Blonde mit den zurückgegelten Haaren, einer kreisrunden Brille auf der spitzen Nase und dem arrogant vorgestreckten Kinn erinnerte ihn an die Streber unter den Erstsemesterstudenten, die sich in seinen Vorlesungen immer in die erste Reihe setzten und sich von einem stetigen Blickkontakt eine bessere Benotung in den Prüfungen erhofften.
    »Ingolf von Appen«, stellte er sich vor und streckte ihm allen Ernstes die Hand entgegen.
    Gute Idee.
    Herzfeld zog unbekümmert seine Finger aus dem geöffneten Unterleib und packte die Hand des Besuchers, um sie zu schütteln, ohne sich zuvor den blut- und sekretverschmierten Latexhandschuh auszuziehen.
    Seine geschwollenen Finger brüllten vor Schmerz, aber das war ihm der Spaß wert.
    Für eine Sekunde entglitten dem Burschen die Gesichtszüge, dann aber machte er gute Miene zum bösen Spiel und gab Herzfeld mit einem freundlichen Satz zu verstehen, dass der Professor gerade einen großen Fehler gemacht hatte, ihn vor versammelter Mannschaft bloßzustellen.

6. Kapitel
     

    F reut mich, Sie kennenzulernen, Herr Professor. Und vielen Dank, dass Sie der Bitte meines Vaters um eine Hospitanz in Ihrem Hause entsprochen haben.«
    Von Appen. Verdammt.
Herzfeld hätte sich ohrfeigen können.
    Bei dem Namen hätte es klingeln müssen. Erst letzte Woche noch hatte ihn der BKA -Präsident persönlich ermahnt, den Sohn des Innensenators um Himmels willen zuvorkommend zu behandeln – und nun hatte er ihn gleich in den ersten Sekunden seines Praktikums lächerlich gemacht! Er überlegte, ob es die Sache noch verschlimmerte, wenn er dem Jüngling ein Taschentuch reichte, aber da hatte sich Ingolf von Appen schon die Hand am Kittel abgewischt und erwartungsfroh seine

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