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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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wackelige Nickelbrille zurechtgerückt.
    »Bitte, meine Herren, meine Dame, lassen Sie sich durch mich nicht stören«, näselte er in dem arroganten Singsang, den Sprösslinge reicher Eltern anscheinend schon im privaten Kindergarten einüben. Presseberichten zufolge hatte Ingolfs Vater es mit einer Firma für Alarmanlagen zum Millionär gebracht, bevor er als Innensenator sein Amt dazu missbrauchen konnte, die Ängste der Leute (und damit sein Kerngeschäft) noch weiter auszubauen. Wenn es eine Sorte Mensch gab, die Herzfeld mehr verachtete als neureiche Politiker, dann waren es deren Kinder, die sich ohne Eigenleistung auf dem Geld und dem Status der Eltern ausruhten. Herzfeld selbst hatte sich mit siebzehn über die Grenze der DDR nach Westberlin abgesetzt, was vor allem auch eine Flucht vor seinem Vater gewesen war, der als linientreuer Offizier bei der Staatssicherheit alles verkörperte, was Paul Herzfeld an diesem System hasste. Umso mehr ärgerte er sich, wenn er feststellte, dass es auch in einer Demokratie darauf ankam, welches Parteibuch oder, besser gesagt, welche Beziehungen man vorweisen konnte. Normalsterblichen, die keinen Innensenator als Vater hatten, blieben Einblicke in die Arbeit einer Sondereinheit des BKA verwehrt.
    Na ja, wenigstens scheint ihm nicht schlecht zu werden.
    »Im Magen hundertvierzig Milliliter gräulich weißlicher, fast milchig imponierender, breiig-flüssiger Inhalt von säuerlichem Geruch«, sprach Herzfeld in das Diktaphon, das Yao jetzt für ihn hielt, damit er beide Hände frei hatte.
    »Komisch«, kommentierte der Sohn des Innensenators aus dem Hintergrund.
    »Komisch?«
    »Ja, hier läuft ja gar keine Musik.«
    Herzfeld rollte mit den Augen.
    Das ist heute schon der zweite Fan von Dr. Starck. Na, das kann ja heiter werden.
    »Nein. Keine Musik.«
    In der Serie gestern waren die Drehbuchautoren auf den absurden Einfall gekommen, den Pathologen Depeche Mode hören zu lassen. Herzfeld hatte, wie so oft, verärgert weggeschaltet, nachdem er beim Zappen versehentlich dort hängengeblieben war. »Den Mageninhalt müssen wir analysieren«, konzentrierte er sich wieder auf das Wesentliche. »Ebenso wie die krümeligen Elemente hier im Anfangsteil des Zwölffingerdarms. Jetzt sehen wir uns aber erst mal den Kopf genauer an.«
    »Was ist mit der Frau denn passiert?«, fragte Ingolf, trat einen Schritt vor und beugte sich interessiert über die Leiche.
    Herzfeld sah das Unglück kommen und wollte den Praktikanten noch warnen, doch da war es schon zu spät. Seine gewagt auf dem Nasenrücken balancierende Nickelbrille rutschte Ingolf von Appen von der Nase und fiel direkt in den geöffneten Brustkorb der Toten.
    »Oh, tut mir leid.«
    Scherz, Yao und Herzfeld sahen sich erst fassungslos, dann belustigt an, als der arme Trottel versuchte, seine Brille wieder aus der Leiche zu klauben. Schließlich half ihm Herzfeld mit einer Pinzette, musste sich dann aber, nachdem Ingolf sie wieder hastig aufgesetzt hatte, von ihm abwenden, um nicht lauthals loszulachen. Ingolf hatte die Gläser nur notdürftig an seinem Kittelsaum gereinigt, wodurch die blutverschmierte Brille nun wie ein Scherzartikel wirkte, den man an Halloween trug.
    »Das tut mir wirklich sehr leid«, sagte Ingolf von Appen zerknirscht.
    »Kein Problem. Halten Sie sich in Zukunft einfach etwas zurück.«
    »Ich wollte mich nur nützlich machen.«
    »Nützlich?«
    Herzfeld, der sich gerade einen Schädelmeißel gegriffen hatte, musterte Ingolf und lächelte unter seinem Mundschutz amüsiert. »Schön, dann holen Sie mir bitte ein Kardioversionsgerät.«
    »Ein was?«
    »Ich hab jetzt keine Zeit, es zu erklären. Fahren Sie einfach in den ersten Stock und fragen Sie nach Chefarzt Dr. Strohm, er weiß sofort, was ich meine.«
    »Ein Kardioversionsgerät?«
    »Ja, aber schnell. Sagen Sie ihm, es ist für die Leiche hier, und es geht um Sekunden.«
    Kaum war Ingolf aus dem Sektionssaal geeilt, prusteten Herzfelds Kollegen schon los.
    »Du weißt, das wird Folgen haben«, kicherte Yao, nachdem sich ihr erster Lachanfall gelegt hatte.
    »Ein Kardioversionsgerät!« Auch der ansonsten eher reservierte Assistenzarzt musste bei der Vorstellung grinsen, dass der Praktikant in wenigen Minuten nach einem Defibrillator, also einem Gerät zur Wiederbelebung, fragen würde. Und das für eine Frau, die seit mindestens zwei Tagen tot war.
    »Es geht um Sekunden«, zitierte er Herzfeld. »Ich würde zu gerne das Gesicht von Dr. Strohm

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