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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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Kopf, das Gesicht, der voluminöse Oberkörper – nichts schien verletzt.
    Okay, was hatte der Kursleiter damals gesagt? Die eigene Wange ist am sensibelsten.
    Linda näherte sich mit ihrem Profil dem Gesicht der Frau.
    Nichts.
    Sie spürte nicht den leisesten Atemhauch.
    Also schön. Wiederbelebung.
    »Scheiße, was ist denn hier los?«, hörte sie Ender hinter sich rufen. Endlich war er heruntergekommen. Im nächsten Moment begann der Hausmeister bereits zu keuchen. Offenbar hatte er die Blutlache bemerkt, in der Linda kniete.
    Konzentrier dich. Nicht ablenken lassen.
    Sie musste die Atemwege frei machen, aber wie? Normalerweise hätte sie die Verletzte dazu auf den Rücken drehen müssen, aber das war wegen ihrer Fesselung fast ausgeschlossen. Linda musste sich vorerst damit begnügen, den Kopf der Töven aufzurichten, indem sie ihn erst zur Seite und dann nach hinten streckte.
    »Die ist tot«, stammelte Ender.
    »Sie hat gelebt, als ich reinkam«, widersprach Linda, dann merkte sie, dass der Hausmeister gar nicht mit ihr redete, sondern sich das Handy gegriffen hatte, um Herzfeld zu informieren, denn er sagte: »Ich glaube, sie versucht es mit Mund-zu-Mund-Beatmung.«
    Tatsächlich hielt Linda mit Zeigefinger und Daumen die Nase der Richterin verschlossen und holte tief Luft. Dann legte sie die Lippen fest um den jetzt rot verschmierten Mund. Das Blut auf dem Parkett, in dem sich Linda immer wieder abstützen musste und das sie nun bei ihren Hilfsmaßnahmen auf Körper und Kleidung der Frau verteilte, fühlte sich dickflüssig an.
    Ein-und-zwan-zig.
    Eine Sekunde lang presste Linda mit aller Kraft die Atemluft aus ihren Lungen in den anderen Körper hinein. Dann drehte sie sich zur Seite, um Luft zu holen, und sah Ender mit dem Handy am Ohr. Er hatte irgendetwas zu Herzfeld gesagt, was sie im Zuge ihrer Wiederbelebungsversuche nicht verstanden hatte.
    Kaum hatte sie wieder tief eingeatmet, drehte sich Linda zu der Frau um und stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass der Brustkorb sich nicht wieder gesenkt hatte.
    Verdammt!
    Linda riss die Bluse auf und riss, ohne zu zögern, den fleischfarbenen Büstenhalter von den Brüsten.
    »Pack doch endlich mit an!«, brüllte sie, aber Ender machte keine Anstalten, ihr dabei zu helfen, die Richterin auf den Rücken zu drehen.
    »Die Flecke«, sagte er nur, und da fiel es ihr selbst auf.
    Aber … aber wie ist das möglich?
    Sie hatte es mit Herz-Lungen-Massage versuchen wollen, doch jetzt schreckte Linda davor zurück, die Haut zu berühren. Der Bereich um die linke Brust hatte sich an den seitlichen Körperpartien dunkelviolett verfärbt.
    »Das sind Leichenflecke«, erklärte Ender unnötigerweise. Linda hatte sie vorhin in der Pathologie zur Genüge an Eriks Körper betrachten müssen.
    Aber dann muss sie schon länger tot sein!
    »Herzfeld fragt, ob man die Totenflecke noch wegdrücken kann.«
    »Was?«
    »Wenn du mit den Fingern darauf herumdrückst, wird die Haut dann etwas blasser?«
    Linda, noch gänzlich unter dem Schock des unerwarteten Anblicks, presste den Zeigefinger auf die dunkelviolette Verfärbung der Haut. Erst vorsichtig, dann etwas fester.
    Gleichzeitig griff sie nach dem Handy, das Ender ihr reichte, ohne sich nach dem Hausmeister umzudrehen. Anders als vorhin in der Pathologie trug sie jetzt keine Handschuhe, weswegen die Berührung der nackten Haut des ausgekühlten Körpers direkter und irgendwie intim war. Und viel unangenehmer als bei Erik im gleißenden Neonlicht des Sektionssaals. Es fühlte sich an, als würde sie den Finger in ein kaltes Gelkissen drücken.
    »Es geht nicht«, keuchte sie und wusste, dass das keine gute Nachricht war.
Das angetrocknete Blut auf dem Boden, die kalten Lippen bei der Mund-zu-Mund-Beatmung und jetzt die Leichenflecke.
»Sie bleiben dunkel. Ich kann die Leichenflecke so gut wie nicht wegdrücken.«
    »Dann ist Frau Töven schon seit Stunden nicht mehr am Leben, Linda«, stellte Herzfeld fest.
    Seit Stunden?
    »Aber ich habe sie doch eben noch stöhnen hören?«
    Linda fragte mehr, als dass sie es feststellte.
    »Respirationsgeräusche bei Toten, das kommt öfter vor, wenn mit fortschreitendem Zerfallsprozess die Luft aus den Lungen entweicht«, erklärte Herzfeld. Im Hintergrund hörte sie Autos hupen, was ihr im Augenblick wie Lebenszeichen aus einer anderen Galaxie erschien. In ihrem Universum, auf dieser gottverlassenen, sturmumtosten Insel, gab es keine Zeichen menschlicher Zivilisation. Nur Gewalt, Schmerz

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