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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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Herzfeld immer wieder auf den Namen einer Person gestoßen, die Sven Martinek als »diese alte Hexe« bezeichnet hatte: die vorsitzende Richterin. Ihr Nachname war Erlang. Es war ihr letzter Richterspruch gewesen, bevor sie in den Ruhestand trat; bevor sie ihren Mädchennamen wieder annahm, als ihr die Medienberichterstattung um ihre Person und das Skandalurteil, das sie zu verantworten hatte, zu lästig wurde.
    Heute nannte sie sich Töven. Friederike Töven.

24. Kapitel
     
    Helgoland.
    D as schieferummantelte Flachdachhaus stand an der Grenze zum Oberland der Insel und war zum vorderen Teil hin auf Stelzen gebaut, weswegen eine Hälfte der Veranda wie eine Sprungschanze über der felsigen Klippe hing. Im Sommer war der Hügel mit grünem Moos bedeckt. Jetzt zog sich die karge Erdoberfläche wie ein schmutziges Tischtuch den Abhang bis zum Meer hinunter.
    Dank Enders Elektromobil hatten sie bis zu dem am Ende der Sackgasse gelegenen
Haus Töven
nur wenige Minuten gebraucht. Zu Fuß hätte Linda selbst diese kurze Strecke kaum bewältigen können, der Wind stemmte sich mittlerweile wie eine Wand aus Beton gegen jeden, der sich nach draußen wagte. Im Vorgarten hatte der Sturm schon mehrere Blumenkübel umgeworfen, und selbst eine große, im offenen Carport untergestellte Pferdebox wackelte bedrohlich, wann immer der Wind in die Planen stieß.
    »Mal sehen, ob die Olle noch auf der Insel ist«, brüllte Ender und hämmerte mit der Pranke gegen die Haustür. Auf der Herfahrt hatte er Linda erklärt, dass »die Olle«, die er auf Ende sechzig, Anfang siebzig schätzte, vor wenigen Jahren auf die Insel gekommen war und hier sehr zurückgezogen lebte, ohne nennenswerten Kontakt zur Inselbevölkerung zu halten. Einmal hatte er sie mit dem Elektromobil abgeholt und zu einer Untersuchung ins Krankenhaus gefahren, offensichtlich hatte sie Wasser in den Beinen und konnte nicht mehr so gut laufen. Er hatte versucht, eine Unterhaltung mit ihr anzufangen, doch sie war all seinen Fragen ausgewichen. Linda konnte sich kaum vorstellen, dass eine ältere Dame die Aufforderungen des Katastrophenschutzes ignoriert hatte, zumal ihr Haus direkt am Abgrund stand.
Haus Töven
erinnerte von der Ferne an ein Vogelnest im Felsen der Steilküste. Man musste schon großes Vertrauen in den Architekten haben, wenn man selbst bei einem drohenden Orkan das Haus nicht verließ.
    »Hallo, Frau Töven. Sind Sie da?«
    Linda fragte sich, was sie eigentlich der alten Dame sagen wollte, sollte sie auf Enders Rufen und Klopfen reagieren.
    »Entschuldigen Sie bitte, aber wir haben Ihr Foto in dem Hals einer Leiche gefunden?«
    »Keiner da«, brüllte Linda nach einer Weile. »Gehen wir.«
    Der Hauseingang war nur durch ein dünnes Regendach abgeschirmt und bot wenig Schutz vor dem schneeverwehten Wind, der aus allen Richtungen blies. Linda war mittlerweile vollständig durchgefroren und hatte keine Lust mehr zu schreien.
    »Nicht so hastig«, rief Ender zurück und zückte ein schweres Schlüsselbund, an dem nicht nur sämtliche Klinikschlüssel, sondern auch ein professioneller Dietrich hingen. Es dauerte keine zehn Sekunden, und die Tür stand offen.
    »Wir können doch nicht einfach …«
    Bevor sie »einbrechen« sagen konnte, war Ender in der Diele verschwunden.
    Linda blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen. In der Kälte draußen hielt sie es keine Sekunde länger aus, und das zugige Elektromobil war keine Alternative.
    Im Inneren des schmalen Hauses war es erstaunlich hell. Große Fenster öffneten sich zu allen Seiten und fingen so viel wie möglich von dem düsteren Winterlicht ein, das sich einen Weg durch die Wolkendecke gebahnt hatte. Ein einsamer dunkelblauer Lodenmantel hing in der Diele auf einem Bügel, darunter stand eine stattliche Auswahl an Wanderschuhen. An dem Schlüsselbrett neben der Garderobe waren Schlüssel verschiedener Größen sorgsam aufgereiht. Alle waren beschriftet, kein Haken war leer. Wegen des plötzlichen Temperaturumschwungs begann ihr die Nase zu laufen.
    »Hallo, Frau Töven?«, rief Linda und zog sich ihre Handschuhe von den Fingern, um den Heizkörper prüfend anfassen zu können.
    Lauwarm.
    Über ihrem Kopf hörte sie schwere Schritte auf dem Dielenboden. Offenbar hatte Ender bereits die Treppe genommen, um sich im Obergeschoss umzusehen.
    Linda zog die Haustür zu und ging langsam den Flur hinunter. Dabei passierte sie zunächst den Eingang einer Küche, die im Gegensatz zu dem sonst sehr modern wirkenden

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