Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
Vom Netzwerk:
Tätowierung nicht, aber das hatte nichts zu sagen. Vielleicht hatte sie sie sich erst vor kurzem stechen lassen. Und überhaupt, wie sollte er anhand einer schlechten, im Bierdeckelformat präsentierten Aufnahme seine Tochter identifizieren können?
    Plötzlich war die Leiche des Mädchens nicht mehr allein im Bild. Martinek, der keine Scheu zu haben schien, sein Gesicht zu zeigen, trat vor die Kamera und blickte traurig in die Linse. In der einen Hand hielt er ein Sektionsmesser, in der anderen etwas, das zuerst wie eine Metallstange aussah, sich dann aber als das Ende eines Besenstiels entpuppte. Herzfeld konnte einige Einkerbungen im Holz ausmachen, die Martinek dem Stock mit dem Messer beigebracht haben musste.
    »Und nun?«, fragte Ingolf neben ihm, als die Aufnahme zu Ende zu sein schien, denn der Bildschirm in Herzfelds Händen hatte sich wieder schwarz verfärbt. Eine Zeitlang sah man nur weißes Rauschen, doch dann lief die Aufzeichnung aus einer anderen Perspektive weiter. Martinek hatte das Stativ, auf dem die Handkamera stand, gedreht, so dass es jetzt seitlich zum Tisch stand. Man konnte sehen, wie er den Brustkorb des Mädchens öffnete.
    »Nein!«, riefen Ingolf und Herzfeld fast gleichzeitig wie Kinobesucher, die sich vor der nächsten Szene des Horrorfilms fürchten, nur dass die immer größer werdende Wunde kein Spezialeffekt war.
    »Ich liebe dich, Papa«,
hörte Herzfeld in Gedanken seine Tochter sagen und wollte sich abwenden, weil er, wenn er zwischen zwei Übeln wählen müsste, lieber unwissend sterben als Martinek dabei zusehen wollte, wie der den Körper seiner Tochter aufschnitt. Doch das war nicht nötig. Die Aufnahme riss ab, noch bevor das Sektionsmesser den Bauchnabel des Mädchens erreicht hatte.
    »Was macht er?«, fragte Ingolf. Für die folgenden Sequenzen hatte Martinek die Kamera selbst in die Hand genommen. Der weiße Leichensack war wieder fest verschlossen, wenn auch an mehreren Stellen von außen mit Blut verschmiert. Auf einem Schneidebrett am Kopfende des Tisches lagen die ausgeweideten Organe der jungen Frau, erst jetzt konnte man, dank eines kurzen Schwenks zum Fußboden, erkennen, dass der gesamte Raum mit einer wasserdichten Plane ausgelegt war.
    Bislang hatte sich Martinek ohne Ton gefilmt, doch jetzt hörte man das Rascheln des Plastiks, als der Rechtsmediziner den Leichensack über den Tisch zog. Martinek legte kurz die Handkamera ab, um beide Hände frei zu haben, und in einem auf dem Kopf stehenden, eingeschränkten Ausschnitt konnte Herzfeld erkennen, wie sein ehemaliger Kollege den Sack auf eine bereitstehende Schubkarre hievte. Dann gab es den nächsten Schnitt, und die Aufnahme sprang ins Freie.
    »Er bringt sie hierher zum Bootshaus«, kommentierte Ingolf unnötigerweise. Martinek musste sich die Kamera an einer Schlaufe um den Hals gehängt haben, die Kamera befand sich etwa in Brusthöhe und filmte aus dieser Perspektive das hintere Grundstück des Herrenhauses samt Bootshaus, Steg und See.
    Außer keuchenden Atembewegungen und dem Knirschen des Schnees war auf dem schaukelnden Video nichts weiter zu hören. Die Reifen der Schubkarre hatten den Steg erreicht, der auf den vereisten See hinausführte.
    »Was hat er vor?«, murmelte Ingolf gerade, da eilte Herzfeld bereits mit dem Bildschirm aus dem Schuppen hinaus.
    Draußen war es trübe, aber noch nicht dunkel, weshalb er kein Problem damit hatte, die Geschehnisse auf dem Bildschirm zu verfolgen und sich zwischendurch mit raschen Blicken in der Umgebung zu orientieren, um die Aufnahme mit der Gegenwart abzugleichen. Der Steg nahm seinen Ursprung drei Meter versetzt hinter dem Bootshaus. Eine schmale Rampe führte über das Ufer, an dessen Kranz Schilfpflanzen wie Finger aus der Schneedecke hervorstachen.
    Beim Näherkommen sah Herzfeld ein kleines »Betreten verboten«-Schild an einem Pfosten hängen, das er in diesem Moment ebenso ignorierte, wie es auch Martinek auf dem Video getan hatte.
    Auf der Aufnahme hatte sein Kollege bereits das Ende des Stegs erreicht. Das Wasser musste an dieser Stelle einen hohen Pegel gehabt haben, Martinek brauchte nur einen kleinen Absatz nach unten zu nehmen, dann stand er samt Schubkarre und Leichensack auf dem Eis.
    Von nun an gab es in der Aufzeichnung keine Zeitsprünge mehr. Martinek ging zielstrebig mit gleichmäßigen Schritten auf den See hinaus, das schneeverwehte Eis und Teile des Leichensacks immer im Blickwinkel der schaukelnden Kamera.
    »Ist das eine Boje?«,

Weitere Kostenlose Bücher