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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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Erfrierende, so hieß es in den Lehrbüchern, spüren ab einem bestimmten Punkt überhaupt keine Schmerzen mehr. Im Gegenteil, sie entwickeln angeblich in ihrem von den verschiedensten Hormonen und Transmittersubstanzen bombardierten Gehirn so etwas wie eine letzte Euphorie kurz vor dem Tod.
    Aber wer weiß das schon so genau?,
dachte Herzfeld und streckte die Hand nach seinem Telefon aus, das durch den Vibrationsalarm beinahe von der Tischplatte geruckelt wäre.
    Er dachte darüber nach, dass vermutlich noch nie ein Toter zurückgekommen war, um sich für klinische Studien zur Verfügung zu stellen, und wollte das Gespräch entgegennehmen, als er bemerkte, dass das gar nicht möglich war.
    Kein Anruf.
    Sein Handy hatte wegen einer Terminerinnerung geklingelt.
    TERMIN PERSONALABTEILUNG
    (Schlägerei)
    Er schaltete den Alarm ab, und der Termin verschwand ebenso schnell von der Anzeige wie aus seinem Bewusstsein. Noch vor wenigen Stunden hatte er sich gesorgt, seinen Job zu verlieren, doch das alles war unwichtig geworden. Jetzt zählte nur noch seine Tochter. Wenn es nicht Hannah war, die Martinek unter der Eisdecke im See versenkt hatte – wenn sie also noch lebte –, dann war es möglich, dass er einen weiteren Hinweis auf ihren Verbleib in der Leiche der Richterin plaziert hatte.
    Herzfeld drückte auf Wahlwiederholung, um Linda in der Klinik zu erreichen.
    Nachdem es mindestens zwanzig Mal geläutet hatte, ging das Freizeichen in einen pulsierenden Besetztton über, und er versuchte es noch mal. Und noch mal.
    Mit jedem neuen Versuch spürte er seine Verzweiflung wachsen. Er hörte Ingolf husten und die Nase hochziehen, doch das klang wie aus weiter Ferne, als befände der Praktikant sich nicht mehr mit ihm im selben Zimmer.
    Geh ran. Bitte, Linda, geh ran!
    Endlich, er hatte kurz davorgestanden, wieder aufzulegen und das Handy durch den Speisesaal zu schmeißen, nahm jemand ab.
    »Linda?«, rief er so laut, dass Ingolf hinter ihm erschrak.
    Es raschelte.
    »Hallo, hörst du mich?«, fragte Herzfeld.
    Jemand keuchte in den Hörer. Herzfeld war sich nicht sicher, ob es ein Lachen oder ein Husten war. Aber allein dieses Keuchen reichte aus, um zu wissen, dass es nicht Linda war, die an den Apparat gegangen war.
    Sondern ein Mann.
    Und dem pulsierenden Besetztzeichen nach, das Herzfeld jetzt wieder hörte, hatte der Unbekannte aufgelegt.

40. Kapitel
     
    Helgoland.
    L indas Herz setzte aus.
    Nicht im übertragenen Sinne, wie man so dahinsagt, wenn man sich erschreckt, sondern wortwörtlich. Die Herzklappen legten eine Pause ein, der Blutfluss kam ins Stocken, und Linda spürte zum ersten Mal in ihrem Leben die Anzeichen eines klaustrophobischen Anfalls.
    Normalerweise hatte sie weder Probleme mit Höhen noch mit Höhlen. Sie liebte Sportarten, die die meisten Menschen für extrem hielten: Fallschirmspringen, Höhlentauchen, Bungeejumping. Die Vorstellung, in einem Fahrstuhl steckenzubleiben, bereitete ihr keine Alpträume. Doch seitdem das Telefon in der Pathologie zum ersten Mal geklingelt hatte, hatte sie das Gefühl, als steckte sie in einem Müllschlucker, dessen Wände sich langsam, aber unaufhaltsam aufeinander zubewegten. Gleichzeitig wuchs der Druck von innen, sie fühlte, wie sich ihr eine Manschette immer enger ums Herz legte, je länger das Telefon klingelte.
    Dabei war das erste Läuten der Auslöser gewesen, sich endlich einen Ruck zu geben und aus ihrem Versteck zu steigen. Doch kaum hatte Linda die Kühlfachtür nur einen winzigen Spalt geöffnet, trat das Schlimmste ein, was sie befürchtet hatte: Sie wurde angesprungen. Von dem Geruch. Von den Geräuschen. Von der Angst.
    Der Eindringling war noch da, und sie konnte von Glück sagen, dass das Telefon ihn abgelenkt haben musste und er sie bislang nicht gehört hatte. Starr vor Entsetzen, hatte sie in den Sektionssaal der Pathologie hineingehorcht und es nicht geschafft, sich selbst zu belügen:
Vielleicht träume ich das alles nur? Vielleicht habe ich nie eine Leiche gefunden, geschweige denn aufgeschnitten? Ich liege nicht in einem Leichenkühlfach, sondern in meinem Bett?
    Was hätte Linda darum gegeben, wenn es so wäre, aber weshalb fühlte sich das Messer in ihrer Hand dann so real an?
    Sie hatte den Daumen auf die Schneide gepresst und erst damit aufgehört, als sie einen stechenden Schmerz gespürt hatte.
    Also kein Traum. Scheiße.
    Linda hatte sich den Daumen in den Mund gesteckt, wie ein Baby daran gesaugt, das Blut geschmeckt und an

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