Abgetaucht
schrie Michael so laut er konnte.
Jetzt hielt es niemanden mehr auf seinem Platz. Sie sprangen auf, hüpften, schrien und brüllten gemeinsam, um Ilka auf den
letzten Metern zu unterstützen. »Ilka-Ilka! Ilka-Ilka!«
Anschlag Ilka!
Anschlag Frauke!
Geschafft! Frauke war geschlagen! Eine Zehntelsekunde, aber ein klarer Sieg. Das zeigte jetzt auch die elektronische Anzeigetafel,
die der Schule von einem Technologie-Unternehmen zur Verfügung gestellt worden war: Bahn vier stand in großen Buchstaben ganz
oben! Sieg für Ilka!
Frauke schlug mit ihrer Faust ins Wasser, immer wieder. Als ob es gefroren sei und sie damit ein Anglerloch schlagen wollte.
Sie schüttelte den Kopf und giftete hinüber zu Ilka: »Das warein Fehlstart. Du bist viel zu früh abgesprungen.«
»Im Vergleich zu dir springt jeder zu früh, Frauke«, konterte Ilka gelassen den unfairen Angriff. »Ehe du im Wasser bist,
hab ich schon meine Haare geföhnt.«
»Pöh!« Frauke schlug noch mal wütend ins Wasser, schnaufte und zog sich aus dem Becken.
Ilka strahlte über das ganze Gesicht und reckte die Siegerfaust zur Tribüne ihren Freunden entgegen, die stehend Beifall klatschten.
Ilka gab ein Handzeichen, dass sie sich schnell duschen, anziehen und dann hinauf auf die Tribüne kommen würde.
Linh gab per Handzeichen zurück: »Okay. Wir warten!«
Keine 15 Minuten später kam Ilka bei ihrer kleinen Fangruppe an.
»Dem Kamel hast du’s gezeigt!«, grinste Jabali und schlug seine Hand zum Glückwunsch ein.
»Kamele sind eben keine Wassertiere«, lachte Ilka zurück und nahm die Glückwünsche von Michael, Lennart und Linh entgegen.
Besonders freute sie sich, dass auch Thuy noch da war.
Die stieß ihrem Vater in die Seite und der überreichte Ilka den Bonsai.
»Für mich?«, platzte Ilka heraus. »Aber Bonsais sind doch eher . . .«
Linh stieß sie mit dem Fuß an und Ilka schaffte es gerade noch, mitten im Satz zu stoppen, ohne Thuys Vater unabsichtlich
zu beleidigen.
Der hatte sogar ein paar deutsche Worte einstudiert und sagte: »Fül iiiihle Lettung!«
»Danke!«, rief Ilka freudig und streckte dem Mann die Hand entgegen. Doch der schien seine Pflicht als erfüllt anzusehen.
Wortlos drehte er ab und eilte Richtung Ausgang.
Thuy warf Ilka noch ein entschuldigendes Schulterzucken zu, dann lief sie ihrem Vater hinterher.
»Hab ich was falsch gemacht?«, fragte Ilka in die Runde.
Linh schüttelte den Kopf. »Hab ich vorhin auch gedacht.«
Und Lennart stimmte gleich ein: »Irgendwie benehmen die sich komisch.«
»Trotzdem nett«, kommentierte Ilka mit Blick auf den Bonsai in ihrer Hand. Dann hielt sie ihn Linh entgegen. »Willst du ihn
haben?«
»Echt?«, fragte Linh.
»Bei dir hat er es besser«, war Ilka sicher.
»Danke!«, freute sich Linh. »Dafür gebe ich einen aus!« Und schon rannte sie los zum Getränkeautomaten.
Auf dem Weg kam ihr Frauke entgegen. »Du hast doch den Start aufgenommen, oder?«, fragte sie. Ihr Ton war nicht annähernd
so freundlich wie vor dem Wettkampf.
»Ja.« Linh reichte ihr die Kamera.
Frauke nahm die Kamera entgegen und zischte ab. »Fehlstart, das war ein Fehlstart! Das werden wir ja sehen!«, hörte Linh sie
noch im Weggehen sagen.
Der Getränkeautomat zischte und knatterte. Sie musste nur noch die Tasten mit ihren Lieblingsmarken drücken und ihn mit Geld
füttern, dann würde er eisgekühlte Getränke ausspucken. Linh zog ihr Portemonnaie aus der Tasche und starrte entsetzt hinein
. . .
»Na, auch Ebbe in deiner Geldbörse?«, fragte Michael hinter ihr. »Bei mir auch. Mein Anteil an den neuen Kletterschuhen hat
meine Spardose leergefegt!«
»Ich kann es nicht fassen!«, beteuerte Linh. »Hier, in dieses Fach hab ich, bevor ich losgegangen bin, 20 Euro reingelegt.« Sie zeigte Michael das leere Fach.
»Ich sag doch! Geldbeutel haben unsichtbare Löcher. Wie Schwarze Löcher im Weltraum. Die verschlucken alles.«
»Unsinn! Hast du keine bessere Erklärung?!«, motzte sie ihn an.
Michael zog die Schultern hoch. »Wenn du das Geld nicht ausgegeben hast, kann es sich ja nur um Diebstahl handeln.«
»Diebstahl?«, rief Linh entsetzt. »Ja, aber . . .« Sie stockte. Ihr fiel ein, dass der Dieb vom Ausflug noch immer nicht gefasst
war. Sie überlegte angestrengt. »Aber wann denn? Und wo? Und wie, ohne dass ich etwas bemerkt habe? Erst meine Kamera und
jetzt auch noch Bargeld! Wieso denn immer ich?«
»Soll ich dir meinen Verdacht verraten?«, fragte
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