Abgetaucht
Michael vorsichtig.
»Du hast einen Verdacht?«, wunderte sich Linh. Bisher hatte Michael nichts dergleichen geäußert. Auch während des Schulausflugs
nicht.
»Aber nur, wenn du mir versprichst, danach nicht sauer auf mich zu sein!«, vergewisserte sich Michael vorher.
»Nein, natürlich nicht! Versprochen. Nun sag schon!«, forderte Linh ihn auf.
»Nun . . . ja. Ich meine . . . Also, immer wenn Thuy bei uns auftaucht . . .« Er zögerte. Mittlerweile waren sie fast wieder
bei ihren Freunden auf der Tribüne angekommen.
»Dann?«, fragte Linh.
». . . dann fehlt was.«
»Und?« Linh sah noch keinen Zusammenhang, sie ahnte noch nicht mal, worauf Michael hinauswollte.
»Und jedes Mal ist ihr Vater dabei. Es könnte doch sein, dass . . . Thuy nur ablenkt, während ihr Vater abräumt?«, vermutete
Michael.
»Wie bitte?«, brauste Linh auf. »Du spinnst ja! Du meinst, Thuy und ihr Vater sind ein ausgebufftes Diebesduo?«
Für Linh war das ausgeschlossen. Energisch schüttelte sie den Kopf.
»Du hast versprochen, nicht sauer zu sein!«, erinnerte sie Michael.
»Ich halte das auch für Quatsch!«, stellte Ilka klar. Sie hatte doch keine ausgekochte Diebin gerettet! Nein, Michael musste
sich irren.
Auch Jabali wollte von Michaels Verdacht nichts wissen. »Mir ist nicht aufgefallen, dass die jedes Mal da waren, wenn etwas
weggekommen ist«, sagte er. »Und selbst wenn, dann waren das nur blöde Zufälle!«
»Ach ja? Und wie könnte es sonst sein?«, fragte Michael.
»Nur weil du keine andere Idee hast, belastest du Thuy. Das finde ich total ungerecht!«, schimpfte Linh. »Vermutlich hat wieder
irgendjemand erzählt, dass alle Vietnamesen klauen, oder?« Sie schaute ihm tief in die Augen.
Michael schwieg und befürchtete, dass Linh ihr Versprechen komplett vergessen hatte. Sie war stinksauer.
Lennart begriff erst jetzt die Tragweite von Michaels Behauptung: »Du glaubst, selbst ihr Badeunfall war nur vorgetäuscht,
damit der Alte klauen konnte?«
Michael zog die Schultern hoch. »Jedenfalls hat er äußerst komisch reagiert, als plötzlich ein Krankenwagenankam und der Sanitäter die Formulare rausholte, oder?«
»Du spinnst doch total!«, fauchte jetzt auch Ilka. Sie hatte einen Menschen gerettet und war nicht auf einen Gaunertrick hereingefallen!
Linh war verzweifelt. Erst verschwand das Geld und dann behauptete auch noch einer ihrer besten Freunde so was Ungeheuerliches:
die Rettung, das Geschenk – beides nur Ablenkungsmanöver!
»Was kann ich denn dafür, dass sie Vietnamesin ist?«, verteidigte sich Michael. »Deshalb kann sie ja wohl trotzdem eine Diebin
sein!«
»Spinner!«, zischte Linh.
»Du kannst sagen, was du willst!«, sprang Ilka ihr bei. »Ich mach bei deinen verrückten Verdächtigungen nicht mit! Ich werde
Thuy jedenfalls trainieren!«
»Hä?«, wunderte sich Michael. »Wieso trainieren?«
Das war allerdings auch für die anderen eine Neuigkeit.
»Jetzt kann ich’s euch ja sagen«, bekannte Ilka, obwohl ihr eine andere Gelegenheit lieber gewesenwäre. Thuy hatte sie um absolute Geheimhaltung gebeten, die Ilka auch zugesagt hatte. Aber innerhalb der Fünf Asse gab es
keine Geheimnisse. Oder besser ausgedrückt: Ein Geheimnis war bei den Fünf Assen bestens aufgehoben und würde ihren Kreis
niemals verlassen.
»Thuy hat mich angerufen und mich gefragt. Wir haben schon eine Verabredung. Ihre Eltern glauben, sie bringt mir Badminton
bei. Aber in Wahrheit bringe ich ihr Kraulen bei. Schwimmen ist ihr Traum. Und unsere Schule ist sowieso schlecht besetzt
mit guten Leuten in unserem Jahrgang.«
»Dann pass lieber auf deine Sachen auf!«, empfahl Michael bissig.
Linh und Ilka schauten ihn böse an.
»Und was ist mit meinem Training?«, fragte Jabali nach. »Du hast doch versprochen, mir das Kraulen beizubringen?«
Er und Ilka hatten ein Trainings-Austausch-Abkommen: Er sollte ihr im Gegenzug das Laufen beibringen. Jabali war gern mit
Ilka zusammen und da passte es gut, dass er sich schon länger wünschte, irgendwann einmal einen Triathlon mitzumachen.
»Seht ihr! Das ist doch praktisch. Dann hab ich gleich zwei Schützlinge.«
Wenn ihnen dann Lennart noch seine Radtechnik zeigte, könnten sie sogar ein richtiges Fünf-Asse-Trio werden.
Unstimmigkeiten
Ilka hoffte, nicht zu viel versprochen und sich übernommen zu haben. Die Trainingseinheiten mit Thuy und Jabali würden sie
enorme Zeit kosten. Zeit, die sie sich von ihrem eigenen Training
Weitere Kostenlose Bücher