Abgezockt
Ein Bad vor dem Schlafengehen.« Er hielt inne. »Oder du gehst gleich schlafen. Wie steht’s?«
Das Kind überlegte einen Moment. »Dann geh ich ins Bad.«
»Braves Mädchen«, sagte Josh.
Abby machte auf dem Absatz kehrt und stürmte hinter ihrer Mutter die Treppe hoch.
Während Josh im Wohnzimmer Platz nahm und ein Buch las, konnte er das Planschen und Kichern aus dem Bad im ersten Stock hören. Wiener saß vor Josh auf dem Boden und putzte sich die Pfoten. Da klingelte das Telefon. Josh nahm den schnurlosen Apparat vom Couchtisch.
»Hallo«, sagte er.
»Josh, hier ist Bob. Hast du den Fernseher an?« Bobs Stimme klang aufgeregt.
»Nein, ich lese gerade. Alles okay? Du hörst dich …«
Bob fiel ihm ins Wort. »Schalte auf Kanal Drei, die Nachrichten. Es ist im Fernsehen.«
Was auch immer er meinte, konnte nichts Gutes sein. Josh betrachtete die Fernbedienung auf dem Couchtisch und zögerte. Wenn er nicht einschaltete, wüsste er auch nichts. Nichtwissen schien verlockend.
»Augenblick, Bob. Ich schalte nur den Fernseher ein.«
Auf Kanal Drei lief gerade die Werbung.
»Bob, was soll ich mir denn anschauen?«
»Es stand im Themenüberblick. Der nächste Bericht ist es.«
»Kannst du es mir nicht einfach sagen?«
»Jetzt kommt’s!«
Die Werbung war zu Ende, und die Kamera schwenkte auf den Moderator, einen korrekt wirkenden Schwarzen Mitte dreißig mit dünnem Oberlippenbart und Brille.
»Und nun ein Bericht über einen Korruptionsfall in der Baubranche, der uns soeben erreichte. Unser Sender wurde heute Abend von einem anonymen Informanten kontaktiert, der die Beschuldigung vorbrachte, die Mountain Vista Apartments in Dixon entsprächen nicht den geltenden Sicherheitsvorschriften. Noch wissen wir keine genauen Einzelheiten, aber sobald wir weitere Informationen erhalten, wird Kanal Drei diesem Vorwurf nachgehen. Wir schalten jetzt live zu Howard Decker bei den Mountain Vista Apartments in Dixon«, sagte der Moderator.
Das Bild wechselte zu dem Reporter, der von Fernsehscheinwerfern angestrahlt wurde. Er stand vor dem Apartmentkomplex, an dessen Betreten ihn Sicherheitsleute hinderten. Der Reporter war konservativ mit blauem Anzug und weißem Hemd bekleidet und zeigte ein besorgtes Gesicht.
»Danke, Doug. Hier Howard Decker mit einem Live-Bericht aus Dixon. Die Anlage hinter mir ist vor acht Jahren erbaut worden. Sie besteht aus über dreihundert Apartments und Eigentumswohnungen. Der anonyme Informant behauptet, beim Bau des Komplexes habe man aus Kostengründen nicht die geltenden Sicherheitsstandards beachtet.
Unser Informant, der ungenannt bleiben möchte, behauptet ferner, detaillierte Angaben zu den Hauptbeteiligten der Affäre sowie zu den vorgenommenen Kostensenkungsmaßnahmen zu besitzen.
Wir haben mit einigen der betroffenen Wohnungsinhaber gesprochen. Sie wollten sich heute Abend zwar nicht filmen lassen, äußerten sich aber besorgt über die Enthüllungen. Natürlich werden wir auf eine Untersuchung durch die Objektverwaltung drängen, um die exklusiv gegenüber Kanal Drei gemachten Behauptungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Ich bin Howard Decker, live aus Dixon. Zurück ins Studio, Doug.« Am Schluss seines Berichts zeigte Howard Deckers ernstes Gesicht wieder ein strahlendes Lächeln.
Der nicht weniger betroffen wirkende Moderator erschien erneut auf dem Bildschirm. »Eine besorgniserregende Geschichte. Hoffen wir, wir können sie klären. Debbie?«
Die Kamera schwenkte auf eine Moderatorin, die über eine Parlamentsdebatte zu einer Landwirtschaftsverordnung zu berichten anfing. Josh schaltete den Fernseher aus.
»Josh, ist das der Wohnkomplex, von dem du mir erzählt hast?«
Josh gab keine Antwort.
»Josh, bist du noch dran?«
Sobald der Name der Anlage gefallen war, hatte Josh gewusst, es handelte sich um das Bauprojekt, bei dem er sich hatte schmieren lassen. Er konnte es nicht fassen: Bell hatte Ernst gemacht. Ein Schauer durchlief ihn. Er bekam eine Gänsehaut auf den Armen, ließ sich auf die Couch fallen und blieb sitzen, um sich zu beruhigen.
Bob fragte immer noch, ob er dran sei. Josh unterbrach ihn. »Ja. Das ist das Projekt, an dem ich beteiligt war.«
»Glaubst du, Bell steckt dahinter?«
»Wer denn sonst? Sie ist nach unserem Besuch in der Blumenhandlung hier aufgekreuzt. Sie sagte, wenn ich nicht mitspiele, würde sie mir schaden.«
»Wenigstens hat sie keine Namen genannt.«
»Das ist ja auch nur ein Warnschuss. Wenn ich mich ihren Forderungen nicht
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