Abgezockt
dessen Leid erlösen musste. Die Wagen, die sich haarscharf verfehlt hatten, bretterten vorbei.
Josh Michaels’ Leben stand in krassem Gegensatz hierzu. Im Unterschied zu Margaret hatte der so vieles, wofür sich zu leben lohnte. Und wenn der Profi ehrlich war, dann stellte Michaels eine viel größere Herausforderung dar. Er konnte es kaum erwarten, sich ihn noch einmal vorzuknöpfen. Aber um ihn endgültig zu erledigen, musste sich der Profi voll auf ihn konzentrieren und durfte sich nicht von einem Auftrag wie Margaret Macey ablenken lassen. Die auszuradieren, dazu gehörte ja nicht viel. Noch ein, zwei Anrufe und ein persönlicher Besuch, damit hätte sich die Sache, und er wäre froh, sie los zu sein.
Er dachte an seine nächtliche Erkundungstour in Margarets Haus zurück, zwei Tage nach seinem ersten Anruf bei ihr, von Josh Michaels’ Party aus. Sie hatte keine Alarmanlage und nur alte Türschlösser. Es wäre gegebenenfalls ein Leichtes, dort hinein- und herauszukommen. Alles an dem Auftrag sah nach einem Kinderspiel aus. Einem Baby den Schnuller wegnehmen oder einer alten Dame das Leben – beides erledigte sich praktisch mit links. Der Profi lächelte zufrieden.
Sein Lächeln verhärtete sich. Wenn er die Zielperson zügig liquidierte, säße ihm auch diese Arschgeige Dexter Tyrell nicht mehr im Nacken. Tyrell ging ihm auf die Nerven. Dieser Managertyp verstand nichts von den Leistungen, die er, der Profi, für ihn erbrachte, und alles, was er sich einfallen ließ, musste Tyrells Kriterien entsprechen.
»Ich will die Leute auf der Liste so getötet haben, dass kein Verdacht entsteht. Es muss aussehen wie ein Unfall oder eine ungezielte Gewalttat. Sie wissen schon, Arbeitsunfälle, Herzinfarkt, Straßenraub, ein Autounfall. Ich brauche Ihnen bestimmt nichts zu erzählen«, hatte Dexter Tyrell bei einem ihrer ersten Telefonate vor zwei Jahren gesagt.
Der hatte leicht reden, aber er, der Profi, musste die Sache in die Tat umsetzen. So wie Tyrell ihn heute schikaniert hatte, schienen die Aufträge kaum die zehn Riesen pro Kopf wert zu sein. Vielleicht wurde es Zeit, auf etwas Lohnenderes umzusteigen.
Zwei Polizeibeamte, die aus Margarets Haus kamen, rissen den Profi aus seinen Gedanken. Bevor sie die Tür zumachten, sagten sie etwas, das er nicht hören konnte. Dann stiegen sie in den Streifenwagen und fuhren los. Der schwere V8-Motor dröhnte.
Zeit für ’ne Kleinigkeit zu essen,
dachte der Profi. Er zog einen Handzettel aus der Seitentasche der Tür, faltete ihn auseinander und wählte eine Nummer, die ganz oben auf dem Blatt stand. Er gab seine Bestellung auf und nannte Namen und Adresse.
»Bis wann ist es so weit?«, fragte er.
»Dreißig Minuten, Sir«, antwortete der gleichgültige Filialangestellte und fügte hinzu: »Vielen Dank, dass Sie Supreme Pizza gewählt haben.«
»Bestens«, sagte der Profi und beendete das Gespräch.
Er wartete auf sein Essen.
»Wie gesagt, wir haben von der Telefongesellschaft einen Namen zu der Nummer, von der aus am Samstagabend hier angerufen wurde«, rekapitulierte der Polizeibeamte. »Zum Glück haben Sie am Samstag ja nur einen Anruf erhalten. Das machte uns die Sache wesentlich leichter.«
»Und wie heißt dieser Name?«, fragte Margaret.
»Das können wir Ihnen erst sagen, wenn wir selbst mit demjenigen gesprochen haben.«
»Und Sie sind sicher, dass er seitdem nicht wieder anrief?«, erkundigte sich der andere Beamte.
Margaret zögerte. Es hatte diesen ersten Anruf gegeben – den, wo sich der Versicherungsagent in ein Monster verwandelte, das sie vernichten wollte.
Seitdem war eine Reihe von Anrufen zu jeder Tages- und Nachtzeit gefolgt, aber immer hatte der Mann aufgelegt, bevor sie antworten konnte. Sie wusste nicht, ob wirklich der Agent es war, ihr Monster, aber sie glaubte, ja. Sie hatte gelernt, in ständiger Angst zu leben, ohne ihren Quälgeist je zu sehen. Aber bei den Anrufen war es nicht geblieben – es hatte auch Geräusche gegeben. Sie war sicher, er trieb sich vor ihrem Haus herum. Sie hörte Schritte auf der Veranda, Fingernägel, die an der Fensterscheibe kratzten, und das Lachen, dieses teuflische Lachen. Jemand, der nichts Böses im Schilde führte, konnte nicht so lachen.
Das alles hätte sie den Beamten gern erzählt, aber sie konnte nicht. Sie hatte letztes Jahr schon zweimal einen nächtlichen Herumtreiber gemeldet – ohne dass ihr jemand glaubte. Die Polizei wusste jetzt einen Namen; mehr verlangte sie nicht. Es
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