Abgezockt
spielte keine Rolle, ob es ein Anruf oder hundert waren; für Margaret war die Hauptsache, man machte dieser Terrorherrschaft ein Ende.
»Mrs. Macey«, drängte der Polizist.
»Nein«, antwortete sie, »mehr Anrufe gab es nicht.«
Der Beamte schien nicht überzeugt und runzelte die Stirn. »Jedenfalls halten wir Sie auf dem Laufenden. Es sieht aus, als hätten wir unseren Mann. Ich bin froh, dass Sie uns Bescheid gesagt haben. Aber Sie hätten nicht so lang warten sollen.«
Es waren drei Tage vergangen, bis sie die Vorfälle meldete anrief. Drei Tage, in denen Margaret bei der geringsten Störung durch die Jalousien spähte. Drei Tage, in denen sie anonyme Telefonanrufe erhalten hatte. Drei Tage waren ein lange Zeit, um in Angst zu leben.
Wie konnte sie sich nach draußen wagen, wenn dort er vielleicht wartete – ihr auflauerte, zum Zuschlagen bereit? Doch eingesperrt in ihren vier Wänden, gingen ihr die Vorräte aus, selbst das Notwendigste. Toilettenpapier war am dritten Tag zu Ende. Da sie sich kein neues zu kaufen traute, benutzte sie wohl oder übel zerrissenes Zeitungspapier. War es so weit mit ihr gekommen – dass sie sich den Arsch mit Papierfetzen putzte wie ein Landstreicher? Es war eine nie erlebte Erniedrigung. Danach hatte sie lange geweint. Und dieser entwürdigende Akt brachte sie zu ihrem Entschluss. Sie hatte die Polizei angerufen.
Die Strafe, wenn »er« dahinterkam, war ihr völlig klar. Er hatte gesagt, er wisse, wann sie die Bullen holen würde. Aber was blieb ihr schon übrig? Sie war so oder so tot. Da war es immer noch besser, es zu versuchen, entschied Margaret und rief an.
Als alles gesagt und getan war, verließen die Polizisten das Haus. Margaret hatte es gewagt: Sie bot ihrem Feind die Stirn. Und jetzt hatte die Polizei einen Namen zu der Stimme des furchterregenden Anrufers. Es war überstanden. Sie seufzte vor Erleichterung.
Trotzdem hatte ihre Aussprache mit der Polizei sie sehr aufgeregt. Sie fühlte ihr Herz hämmern wie einen Stein, der unaufhörlich gegen ein Stück dehnbaren Kunststoff schlug. Das Atmen fiel ihr so schwer, als würde sie mit einer Socke im Hals nach Luft schnappen. Sie schwitzte am ganzen Leib, und ihre Kleider klebten auf der kalten Haut. Sie wankte ins Badezimmer, um ihre Medizin zu nehmen.
Sie holte ihre Pillen aus dem Toilettenschränkchen und schluckte zwei Kapseln mit etwas Wasser. Die letzten Tage hatte sie sich nicht mehr an die vorgeschriebene Dosis gehalten, sondern die Tabletten genommen, wie und wann sie sie brauchte, um ihr aufgeregtes Herz zu beruhigen. Sie ging davon aus, dass es nicht schlimmer sein konnte, als gar keine zu nehmen. Nachdem sie sich mit einem Handtuch den Mund abgewischt hatte, kehrte Margaret ins Wohnzimmer zurück.
Statt besser zu werden, wurden ihre Symptome nach der Medikamenteneinnahme nur noch stärker. Ihr Herz pochte noch heftiger, ihre Kehle schnürte sich zusammen, und der Schweiß brach ihr aus allen Poren, als wäre sie dem Bus hinterhergerannt. Das Telefon klingelte.
Margaret wusste instinktiv, dass er es wieder war, ihr teuflischer Anrufer. Sie wusste das immer. Irgendwie war, wenn er anrief, der Klingelton anders.
Beim dritten Klingeln nahm sie ab.
»Ah, Margaret, Sie sind da!«
Er war es. Er redete so leutselig, aber das war ja immer so, am Anfang. Sie packte den Hörer mit beiden Händen.
»Wir haben uns so lange nicht mehr unterhalten.«
»Ich habe die Polizei informiert. Nur dass Sie’s wissen. Vor einer Minute waren sie noch da. Man ist Ihnen auf der Spur. Bald werden Sie geschnappt«, verkündete Margaret siegessicher. Der würde ihr nicht mehr lange Angst machen.
»Oh, ich weiß, ich weiß, aber ich glaube nicht, dass man mich findet. Und was habe ich Ihnen gesagt?« Er legte eine Kunstpause ein. »Ich sagte, keine Polizei. Nicht wahr, Margaret?«
»Ich lege jetzt den Hörer auf. Ich muss mir das nicht anhören.« Sie versuchte, stark zu klingen.
»Ich merke gar nicht, dass Sie auflegen«, antwortete die ölige Stimme, hinter der sich ein grausames Lächeln verbarg.
»Werd ich aber.«
»Dann nur zu. Ich würde allerdings davon abraten.«
Diese Warnung nahm Margaret das letzte bisschen Energie, und sie sank in einen Sessel neben dem Telefon. Was hatte er diesmal auf Lager? Welche Folter würde ihr der Anrufer zufügen, wenn sie sich seinen Forderungen widersetzte? Die Furcht wurde zu einer Schlange, die sich um ihre Brust wickelte. »Warum?«
»Nun, wenn ich nicht mehr telefonisch
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