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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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so böse an?“
    Walram starrte auf ihre goldene Halskette und die goldenen Ohrringe.
    Er winkte einem Knecht, der in der Nähe Pferdemist zusammenkehrte.
    „Lauf zum Schmied, er soll kommen und Feuer in seiner Esse machen. Es gibt etwas einzuschmelzen.“

34
    Der Besuch, den Dadi dem Burgherrn Walram angekündigt hatte, ließ nicht lange auf sich warten.
    Walram war gerade damit beschäftigt, noch einmal die Denare zu zählen, die er für den Verkauf eines Ferkelwurfs auf dem Markt eingenommen hatte, als der zottelköpfige Wächter hereinstürzte.
    „Herr! Da kommt eine Räuberbande!“
    „Was? Eine Räuberbande? Am hellen Tage? Wo denn?“
    „Auf der Straße, vorm Tor, sie sind schon ganz nahe.“
    „Dummkopf! Räuber, die auf der Straße marschieren! Zurück auf deinen Posten! Ich komme gleich nach.“
    Schnaufend erklomm der dicke Burgherr die Leiter des Wachturms.
    Ein seltsamer Trupp bewegte sich auf den Ringwall zu, der die bescheidene Anlage umgab. Walram zählte gleich die Köpfe, es waren zehn. Nur drei der Männer waren beritten und saßen gebeugt auf ihren mit Gepäck beladenen Kleppern, die so schwerfällig im Schritt gingen, dass die anderen sieben leicht folgen konnten. Einige trugen Helme und Panzerhemden, andere Lanzen und Jagdspeere, doch wirkten sie keineswegs angriffslustig, schon gar nicht wie eine Räuberbande, sondern eher wie ein müder Haufen Versprengter und Geschlagener. Je näher die Männer kamen, desto deutlicher waren ihre schmutzigen, zerrissenen Mäntel und Umhänge, die schlecht beschuhten Füße, die blutdurchtränkten Wundbinden an Köpfen, Armen und Beinen zu erkennen. Walram hatte gleich den Verdacht, dass es sich um |217| Rückkehrer aus jener Schlacht handelte, von der ihm der Thüringer berichtet hatte. Sie mussten einen langen Weg – vom Rhein bis in die Nähe von Saale und Elbe – zurückgelegt haben. Und da sie offensichtlich nicht zu den Siegern zählten, hielt der Burgherr Vorsicht für geboten.
    Kaum waren sie auf Rufweite heran, schrie der Reiter an der Spitze:
    „Walram! Hörst du mich, Walram? Ich bin es, Heinrich! Lass die Brücke herab, mach das Tor auf! Beeil dich!“
    Walram antwortete nicht.
    Der Trupp näherte sich dem Graben und der Rufer schrie mit seiner kreischenden, überkippenden Stimme: „Walram! Mach das Tor auf, ich werde verfolgt! Gero ist hinter mir her, unser Feind! Erkennst du mich denn nicht, Walram? Ich bin Heinrich!“
    In der Stimme konnte er sich täuschen. Jetzt aber sah der Burgherr den Reiter aus der Nähe. Er war groß und schmal wie der Prinz, seine langen Beine berührten fast den Boden. Doch war sonst nicht viel an ihm zu bemerken, was ihn sicher ausweisen konnte. Auf sein wirres blondes Haar war ein fränkischer Topfhelm gestülpt. Der Bart spross auf Kinn und Wangen, die Augen lagen in tiefen, schwärzlich umrandeten Höhlen. Unter dem blauen Wollumhang trug er ein Panzerhemd, dessen Ringgeflecht an mehreren Stellen beschädigt und dessen linker Ärmel wohl absichtlich aufgetrennt war. Denn der Arm hing herab, dick umwickelt mit Tüchern und Stricken, unter denen noch Bretter zu stecken schienen, die ihn ruhig und steif halten sollten.
    „Walram!“, ertönte wieder die kreischende Stimme. „Warum lässt du uns warten? Glaubst du, ich erkenne dich nicht da oben? Bist du blind? Bist du taub? Die Brücke herunter!“
    Ein anderer aus dem Trupp schrie: „Behandelst du so den Herzog von Sachsen?“
    Der dicke Burgherr entschloss sich endlich zu antworten.
    „Herzog von Sachsen?“, rief er. „Es gibt nur einen Herzog von Sachsen: das ist der König. Einen anderen kenne ich nicht!“
    „Meinst du meinen Bruder Odda?“, gab der Lange zurück, der vorn am Graben auf seiner Mähre hockte. „Den hätten wir in den Rhein getrieben, ich und Herzog Giselbert, wäre nicht ein dummer Zufall dazwischengekommen. Aber der Kampf geht weiter! Deshalb suche ich meine Getreuen auf. Walram, ich zähle auf dich! |218| Nun lass uns endlich hinein! Du siehst doch, wir sind müde und brauchen Erholung!“
    Einen Augenblick lang dachte Walram, es könnte doch der echte Heinrich sein, denn wem – außer denen, die dem König nahe standen – wäre sonst das familiäre „Odda“ über die Lippen gekommen. Doch fiel ihm gleich darauf ein, dass er den echten Heinrich noch mehr fürchten müsste als einen falschen. Zum Glück war der aber nicht mehr am Leben, er war ja bei Birten gefallen.
    „Macht, dass ihr fortkommt!“, rief Walram. „Ich

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