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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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nehme nur ehrliche Leute auf, falle auf Lug und Trug nicht herein. Der König lebt und hat eine Schlacht gewonnen. Ich bin sein treuer Vasall, mit seinen Feinden will ich nichts zu tun haben!“
    „Was höre ich, Walram?“, schrie der Mann, der Prinz Heinrich sein wollte. „Du – Oddas treuer Vasall? Hast du nicht geschworen, dass du nicht ruhen wirst, bis er vom Thron gestürzt ist?“
    „Du lügst! Nie habe ich so etwas geschworen!“
    „Hast du mir nicht Waffenhilfe gelobt und dafür Geschenke genommen – hier, als ich dich besuchte, und in Saalfeld?“
    „Wer immer du bist – dir habe ich nichts gelobt! Und was soll ich von dir genommen haben? Ich kenne dich nicht – und die dort auch nicht. Verschwindet oder ich gebe Befehl …“
    „Warte! Du machst einen Fehler, Walram! Bedenke die Folgen. Welcher Lügenbold hat dir berichtet, dass Odda gesiegt hat? War’s vielleicht Dadi, der Thüringer? Dieser Kerl, der von Burg zu Burg zieht und eine erfundene Geschichte erzählt? Der verbreitet, dass Heinrich, der Sohn König Heinrichs, tot sei? Damit alle die Ungetreuen und Feiglinge einen Grund hatten, von ihm abzufallen? Der Sohn König Heinrichs hat heldenhaft gegen seinen Bruder Odda gekämpft und war dem Sieg nahe. Aber er wurde dabei verwundet … hier …“ Er hob ein wenig den steifen, verbundenen linken Arm. „Er wurde getroffen, doch nicht am Schwertarm. Und mit dem wird er weiter kämpfen – so!“
    Mit einer raschen Geste brachte der junge Mann, der vorgab, Heinrich zu sein, unter dem Mantel ein kurzes Schwert hervor und schlug ein paar Mal in die Luft. Seine Genossen grölten Beifall.
    Wieder wurde der dicke Burgherr nachdenklich, diesmal der angeblich erfundenen Geschichte wegen, die ihm der Thüringer erzählt hatte. Allerdings hatte er im selben Augenblick auch erfahren, dass vor ihm schon viele von Heinrich – ob er nun lebte oder |219| nicht – abgefallen waren. Dazu musste es doch einen Grund geben. Nein, das erbärmliche Häuflein dort unten konnte trotz seines martialischen Getöns und Gebarens keinen Anspruch auf Vertrauen erheben!
    „Hörst du mich, Walram? Warum sagst du nichts mehr? Hast du wirklich das Herz, mich vor deinem Tor stehen zu lassen? Den Sohn König Heinrichs, der verwundet ist, von einem langen Marsch erschöpft?“
    „Zum letzten Mal“, kam die Antwort vom Turm, „ich befehle euch, kehrt zu machen und zu verschwinden. Oder ich lasse euch fortjagen! Ihr habt doch schon genug Löcher im Fell. Wollt ihr noch mehr davon haben?“
    „Du widerlicher fetter Schuft!“ Die kreischende Stimme überschlug sich. „Du stinkendes graues Untier! Dass der Teufel dich hole, du elender Dieb, du Verräter, du Hundedreck! Warte nur, Walram, das wird dir leid tun! Ich komme wieder, verlass dich darauf! Nichts wird vergessen! Dann wirst du büßen! Du hast dir schon dein eigenes Todesurteil gesprochen. Wenn ich das nächste Mal abrücke, bleibt hier ein Haufen Asche zurück!“
    Zwei Pfeile, von der Höhe des Walls abgeschossen, zischten zur Warnung über die Köpfe der Zehn hinweg, die es nun eilig hatten, sicheren Abstand zu gewinnen. Mit Stockhieben wurden die alten Klepper munter gemacht. Von weitem schrien die Männer noch einmal Verwünschungen, schüttelten Fäuste, drohten mit Schwertern und Lanzen.
    „Er schimpft und flucht wie der echte Heinrich“, murmelte der dicke Burgherr.

35
    Nach der Schlacht bei Birten, deren Verlauf, verglichen mit ihrer Bedeutung, ein Kuriosum in der Geschichte ist, kehrte Otto nach Magdeburg zurück. Die Kunde von seinem Sieg, die der eilige Dadi auf allen Sachsenburgen verbreitet hatte, war ihm vorausgeeilt. Unter dem Jubelgeschrei des zusammenlaufenden Volkes zog er ein. Das Wunder, das der gesalbte König kraft seines Gebetes und mit Hilfe der heiligen Lanze vollbracht hatte, die Niederlage einer |220| ihm weit überlegenen feindlichen Streitmacht, befeuerte vor allem die Geistlichkeit, die ein solches Ereignis nicht ungenutzt ließ. Es wurde eine Dankesmesse nach der anderen gefeiert, die Mönche des Mauritius-Klosters zogen singend, den himmlischen und den irdischen Herrscher preisend durch die
civitas
und die umliegenden Weiler. Eine große Prozession, in der zwischen Fahnen und Kreuzen auch das Reliquiar des heiligen Innocentius und natürlich die heilige Lanze mitgeführt wurden, brachte der Sache des Glaubens einen gewaltigen Aufschwung. Mancher bis dahin heidnisch Gesinnte – und von denen gab es hier im Osten Sachsens noch viele

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