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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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anderen Ufer aus noch nicht bemerkt werden. Ich will ja Heinrich und Giselbert anlocken. Sie sollen glauben, dass ich schwach bin und dass sie leicht mit mir fertig werden. Ich warte also. Die Lothringer kommen nicht. Meine Kundschafter melden, dass sie sich sammeln, und zwar wie angenommen bei diesem Ort Birten. Doch nur allmählich kämen sie angezittert … hundert, zweihundert, dreihundert. Ich fange an, mich zu langweilen. Auch meine Männer langweilen sich, stehlen den Bauern der Umgebung die Kühe und vergreifen sich an ihren Töchtern. So wird Heldenkraft vergeudet. Was tun? Ich berate mich mit Gero. Warum den Lothringern nicht entgegenrücken? Wozu sie erst auf dieser Seite des Rheins erwarten? Haben wir die dreihundert aufgerieben, ist das Unternehmen der Empörer gescheitert. Ich gebe also Befehl, die Hundertschaften von hinten heranzuführen. Die eine Hundertschaft, die ich bei mir habe, wird gleich eingeschifft und hinübergebracht. Ich bleibe mit wenigen Leuten zurück, um auf die anderen zu warten. Plötzlich sehe ich, wie auf der anderen Seite Gepanzerte mit Standarten und Fahnen anrücken. Die Lothringer sind es und Heinrichs Leute, zusammen drei- bis vierhundert Mann. Sie haben mitbekommen, dass die Sachsen über den Fluss gehen und glauben, ich hätte nur diese Hundert, die bereits drüben sind. Hoffen auf einen leichten Sieg. Aber da gibt es ein Hindernis!“
    „Gott steht auf Seiten der Gerechten“, sagte der Abt.
    „Gewiss, gewiss … doch in diesem Fall ruht er noch immer oder ist mit anderen Dingen beschäftigt. Und ich bin am falschen Ufer und kann nichts tun. Kann nur zusehen, wie meine hundert Sachsen drüben beraten, ob sie vor der Übermacht fliehen und sterben oder vorwärts marschieren und ebenfalls sterben sollten. Da sie, was das Sterben betrifft, keine Wahl haben, entscheiden sie sich für ein Ende in Ehren. Rücken todesmutig dem Feind entgegen. Doch da – das Hindernis! Du kannst jetzt natürlich sagen, Vater, Gott habe noch schnell, im letzten Augenblick, mit seinem Riesenfinger ein Loch in die Erde gebohrt und Wasser und Fische hinein getan. Das Hindernis ist nämlich – ein Fischteich! Ein Fischteich mit viel Gebüsch am Rande, man kann den entgegenkommenden Feind kaum sehen. Da stürzen sich schon die Vorderen mit Lanzen und |227| Schwertern aufeinander. In dem Getümmel fällt nicht auf, dass meine pfiffigen Sachsen sich teilen. Die vordere Hälfte kämpft, die hintere schleicht sich um diesen Teich. Fällt den Lothringern in den Rücken. Und einige, die das Romanische können, schreien: ‚Verrat! Sie kommen von hinten! Rettet euch!‘ Ich beobachte das vom anderen Ufer. Sehe, dass die Lothringer plötzlich in Verwirrung geraten, mal nach vorn, mal nach hinten stechen und schlagen, dabei die eigenen Leute treffen, schließlich allesamt kehrt machen und das Weite suchen. Und wisst ihr, wie lange das Ganze dauerte? Ich verzehrte, während ich zusah, zwei Hühnerkeulen. Als ich den letzten Bissen tat, war alles zu Ende.“
    Otto lehnte sich in seinem Armstuhl zurück und genoss die Verblüffung seiner drei Zuhörer.
    „Wenn Ihr erlaubt“, sagte Hadalt, der als Erster die Sprache wiederfand, „die Erzählung von der Schlacht bei Birten, die wir vorher gehört hatten, war eindrucksvoller.“
    „Gut gesprochen!“, bestätigte der König lachend und griff wieder nach seinem Becher. „Viel eindrucksvoller, das gebe ich zu!“
    „So habt Ihr gar nicht zum Herrn gebetet?“, fragte Anno bekümmert.
    „Oh, doch, Vater, aber erst hinterher. Ein Dankgebet, selbstverständlich. Habe auch eine Messe lesen lassen.“
    „Eines verstehe ich nicht“, sagte Poppo. „Es soll so viele Gefallene und Verwundete gegeben haben. Auf beiden Seiten Hunderte …“
    „Nun, es waren fünf oder sechs Tote auf jeder Seite und zehn bis zwanzig Verwundete, die leicht Verwundeten mitgezählt“, erwiderte Otto. „Von Heinrichs Leuten war unter den Toten dieser Teufelskerl Maincia, der Tammo auf der Eresburg meuchlings umgebracht hatte. Hätte ich ihn damals nur gleich mit den anderen hängen lassen!“
    „Verdient hätte er es“, sagte Hadalt. „Er war auch ein Räuber. Unsere Leute fanden in seinem Gepäck alles, was er nach dem Mord in der Kirche gestohlen hatte: Thankmars goldenen Königsschmuck, sein Schwert, mehrere Goldgefäße aus dem Kirchenbesitz …“
    „Die geben wir den Mönchen von Corvey zurück“, sagt Otto, „und ich werde auch noch etwas hinzufügen, als Entschädigung

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