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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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für ihre Verluste. Es tut uns nicht weh, wir haben bei Birten fette Beute gemacht, die eiligen Lothringer hinterließen ihr ganzes Lager mit |228| allem, was sie für ihre Bequemlichkeit brauchten. Mein Schwager Giselbert wird seinen schönen trichterförmigen Glasbecher und seinen vergoldeten Pisspott vermissen. Er ist wohl in einer seiner vielen Abteien untergekrochen. Schade. Ich hätte den räudigen Fuchs lieber tot gesehen. Wohin sich mein Schwesterchen wohl geflüchtet hat … Der hätte ich gern ein paar brüderliche Ratschläge erteilt.“
    Otto machte launig die Geste des Klopfens auf eine menschliche Kehrseite. Er winkte wieder dem Knecht mit der Weinkanne.
    „Aber ich kriege es noch, das edle Paar“, fuhr er mit nicht mehr sehr fester Stimme fort. „Und zwar bald. Muss ja nun in Lothringen Ordnung schaffen, einen neuen Herzog einsetzen. Diesmal hatte ich zu wenige Leute, weil alles so schnell gehen musste. So blieb nur der Rückzug … vorübergehend. Gero wollte auch dringend zurück an die Elbe, dort gärt es schon wieder. Aber vor allem musste er Heinrich verfolgen.“
    „Ihr wart demnach überzeugt, dass er lebte“, warf Hadalt ein.
    „Wir wussten es nicht genau, mussten es aber befürchten.“
    „Befürchten?“
    „Wäre er lebend und in Freiheit nach Sachsen zurückgekehrt, hätte er die verdammte Schwureinung und die anderen Verschwörer in ihren Burgen aufsuchen können und dann wäre die ganze Bande gegen mich aufgestanden. Wie hätte ich mich mit meinen paar hundert Leuten gegen sie wehren können! So gab es nur einen Ausweg: Wenn er nicht bereits tot war, musste er sterben.“
    „Sterben?“, entfuhr es Poppo. „Ist Euer Bruder durch Euch umge…?“ Der dicke Kanzler erschrak vor seinen eigenen Worten und verschloss seinen Mund mit dem Handrücken.
    Der König lachte schallend.
    „Aber ja – durch mich!“, rief er.
    „Gott im Himmel, Ihr wisst nicht mehr, was Ihr redet!“, stöhnte der Abt.
    „Und ihr“, sagte Otto plötzlich gereizt, „habt schon vergessen, was ich euch Dummköpfen gerade erklärt habe! Nicht auf das Ereignis kommt es an – viel wichtiger ist, was darüber berichtet wird. Wenn Heinrich vielleicht auch nicht wirklich gefallen war, musste er sterben – in der Erzählung. Was sich tatsächlich ereignet hat, wissen nur wenige … auch ich weiß es nicht. Trotzdem starb er und alle glaubten es. Und weil der Anführer tot war, brach der Aufstand zusammen. Habt ihr endlich begriffen, wie das zusammenhängt?“
    |229| „Vollkommen“, erwiderte Hadalt. „Nur über eines, Herr, solltet Ihr uns Dummköpfe noch aufklären. Habe ich recht gehört, bekanntet Ihr eben, den Tod Eures Bruders – den vermeintlichen – selbst herbeigeführt zu haben. War es wirklich so?“
    „So war es“, bestätigte Otto, den die Frage gleich wieder heiter stimmte. „Ich hatte diesen vortrefflichen Einfall. Und es gab einen Mann, der ihn umsetzen konnte.“
    „Dadi, der Thüringer.“
    „Ja. Er gehörte zur Burgbesatzung von Dortmund. Nachdem ich Agina, seinen Gefolgsherrn, vorausgeschickt hatte, behielt ich einige seiner Leute in meiner Umgebung, unter ihnen diesen Dadi. Wie nützlich wurde uns der Mann! Zwei Wochen lang lagen wir am Rhein und hätten nur aufs Wasser gestarrt, wäre er nicht gewesen. Er unterhielt uns auf das Angenehmste, konnte tagelang – was sage ich – tage- und nächtelang Geschichten erzählen. Manches kannte ich schon, aber so gut erzählt bekam ich es nie. Da ging es um Siegfried, den Drachentöter … um einen Beowulf, der ein menschenfressendes Ungeheuer besiegte … auch um Könige, die lange vor uns lebten … Theoderich, Chlodwig, Alboin … Bis spät in die Nacht saßen wir am Feuer und konnten davon nicht genug bekommen. Ich sage euch, in diesem Dadi stecken tausend Geschichten! Niemand weiß, woher er sie hat, er selber auch nicht. Er zog umher, diente vielen Herren, schnappte überall etwas auf und schon konnte er alles selbst erzählen … viel besser. Wenn er vergessen hatte, wie es weiterging, tat er einfach etwas dazu, was er sich ausdachte. Und die Nächsten, sage ich euch, werden es wiedergeben, wie
er
es erzählte. Nun … und da hatte auch ich einen Einfall …“
    „Die Schlacht bei Birten, erzählt von Dadi“, sagte Hadalt.
    „Als alles vorbei war, ließ ich ihn kommen. Er begriff sofort, was ich von ihm wollte. Auf der Stelle erfand er seine Geschichte: Gefolgsmann Heinrichs … mit ihm in der Schlacht … Zeuge seines Heldentods

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