Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
gewann dort seine Mitverschwörer, indem er sie mit Geschenken köderte. Das meiste stammte aus deinem Besitz, Mutter.“
„Das ist eine Lüge!“
„Nun gut … wir werden das alles noch später herausbekommen. Sobald wir ihn haben. Wie ich ihn kenne, wird er nicht lange standhaft bleiben und alles gestehen.“
„Was hast du mit ihm vor, Odda?“, schrie die Königinmutter. „Was willst du ihm antun?“
|234| „Ich werde ihm nur ein paar Fragen stellen und wenn ich ihn schuldig finde, angemessen bestrafen.“
„Dazu hast du kein Recht!“
„Ich – der König? Kein Recht?“
„Er wurde im Purpur geboren. Du warst bei deiner Geburt nicht einmal der Sohn eines Herzogs!“
„Tische uns jetzt nicht wieder diese abgestandene Brühe auf. Sie stinkt schon!“
Die Königinmutter wandte sich ab und bedeckte die feuchten Augen mit ihrem Umschlagtuch.
„Was kann ich nur für dich tun, mein lieber Sohn?“, jammerte sie. „Warum bist du zur Merseburg geflohen? Wie konntest du glauben, dein grausamer Bruder würde jemals deine gerechten Ansprüche anerkennen? Warum bist du nicht zu mir gekommen, nach Quedlinburg? Der Unhold Gero hätte es nicht gewagt, dich von der Grabstätte deines Vaters zu reißen! Warum hast du nicht auf deine Mutter vertraut? Warum hast du dich nicht in meine Arme gerettet?“
„Das will ich dir sagen“, war Ottos ironische Antwort. „Weil er sich schämte. Und weil er sich fürchtete. Weil er deine Hilfe in Anspruch genommen, deine Güter verschenkt, dein Gold verteilt – aber nichts erreicht hatte. Nichts vorweisen konnte … außer einem verkrüppelten Arm. Das Bübchen fürchtete sich vor der Mutter, die auch auf ihn sehr böse sein kann.“
„Oh, wie verlogen du bist, Odda!“, schrie Frau Mathilde. „Beweise doch, dass irgendetwas verschenkt wurde! Auf keinem meiner Güter hat sich ein fremder Besitzer eingenistet.“
„Natürlich nicht, denn dazu hätte es ja des Erfolgs der Verschwörung bedurft. So wagte es keiner, seinen Fuß auf den versprochenen Boden zu setzen. Was deine Gold- und Silberspenden für die Herren betrifft, Mutter, so sind sie, teilweise jedenfalls und in veränderter Form, in meiner Schatzkammer gelandet. Ich bedanke mich dafür!“
Die Königinmutter rang nach Luft und musste sich setzen.
„Hör auf, Odda!“, rief Edgith. „Warum quälst du sie so?“
Richburg bemühte sich um Frau Mathilde und brachte aus ihrem weiten Gewand ein kleines Tongefäß zum Vorschein, aus dem sie ihr etwas einflößte.
„Was soll ich tun? Was soll ich nur tun?“, stöhnte die Königinmutter.
|235| „Das Beste wird sein“, sagte der König, „du zögerst nicht und begibst dich gleich zur Merseburg. Ich werde Gero anweisen, dich durchzulassen. Sprich mit dem Bürschlein und überzeuge ihn, dass er nichts anderes tun kann, als sich zu ergeben. Ergebung und Unterwerfung … mehr bleibt ihm nicht. Wenn er sich schnell dafür entscheidet, kann er vielleicht auf Milde hoffen. Vielleicht!“
Später, als sie mit ihm allein war, machte die Königin Edgith ihrem Gemahl noch einmal Vorhaltungen.
„Wie gut ich deine Mutter verstehe!“, sagte sie, ihre Handarbeit unterbrechend, als Otto bei ihr eintrat. „Sie sorgt sich um ihn, sie hat Angst um ihn. Auch wenn es dich immer wieder kränkt … Sie liebt ihn nun einmal mehr als ihre anderen Kinder. Wer verstünde das besser als ich, die mit so vielen Geschwistern aufwuchs? Da war die Liebe sehr ungleich verteilt und einige bekamen davon überhaupt nichts ab. Sie hat fünf Kinder groß gezogen, nicht alle stehen ihrem Herzen so nahe wie Heinrich. Von Brun spricht sie selten, von ihren Töchtern fast nie. Weißt du, was ich mir denke? Er ist für sie eine lebendige Erinnerung … an ihre große Liebe zu euerm Vater. An ihre herrliche Zeit als junge Königin, als sie durch ihn der strengen Klostererziehung entkam, als sie auf einmal frei war. Sie ist heute ein Muster an Frömmigkeit, aber Frömmigkeit hat ja auch immer mit Entsagung zu tun und mit der Hoffnung auf ein besseres Jenseits. Damals aber war sie in dieser Welt glücklich. Und Heinrich bringt ihr – wenn auch nur scheinbar – ein bisschen von jenem Glück in das Leben, das sie jetzt führt. Wann immer er bei ihr ist, lebt sie auf. Würde sie ihn verlieren, bliebe ihr nichts außer Trauer, Gebet und Pflichterfüllung. Ihr anderen könnt ihn nun mal nicht ersetzen.“
„Ist es meine Schuld“, sagte Otto, „dass ich, so wie ich aussehe, nach meinem
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