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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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überzeugen können, dass Ottos Sache verloren und dass es für sie alle besser sei, sich vor der endgültigen Niederlage von ihm abzusetzen. Denn trotz seiner kriegerischen Haltung und seiner zur Schau getragenen Zuversicht werde der König den überlegenen Kräften seiner Widersacher nicht standhalten können. Einige der Angesprochenen, sagte Friedrich, hätten längst dasselbe vermutet und wären mit ihren Leuten am liebsten noch in der Nacht aufgebrochen. Aber das sei natürlich wegen der Wachen rings um das Lager nicht möglich gewesen. Doch unterwegs, wenn sich der lange Zug des Heeres durch Wälder, Schluchten und felsiges Gelände bewege, werde es auch größeren Haufen ein Leichtes sein, sich davonzumachen. In Breisach angekommen, werde Otto vielleicht noch über drei Viertel oder sogar nur noch zwei Drittel seines Heeres verfügen.
    Schon am Abend des ersten Marschtags zeigte sich, dass Friedrich nicht übertrieben hatte. Drei geistliche Herren – zwei Äbte und ein Bischof – waren samt ihren Aufgeboten an Panzerreitern, Knechten, Pferden und Trosswagen verschwunden. Niemand wollte bemerkt haben, dass und wie sie unterwegs verloren gegangen waren. Am zweiten Marschtag, an dem das Heer bis in die Nähe des Frauenklosters Erstein gelangte, wurden auch Königsvasallen aus Thüringen und dem sächsisch-fränkischen Grenzgebiet vermisst. Otto, der die Ursache ahnte und in dieser Ahnung von seinen engsten Vertrauten, den drei fränkischen Grafen, bestärkt wurde, ordnete an, dass sich während des Marsches die einzelnen Haufen nicht über Sichtweite hinaus voneinander entfernen sollten. Doch war diese Maßnahme nicht immer durchführbar und wieder fehlten |275| schließlich einige Herren mit ihren Gefolgschaften. Am ersten Abend noch ungläubig, am zweiten missgestimmt, am dritten wutentbrannt lief Otto zwischen den Zelten des Lagers umher, das jedes Mal kleiner geworden war. Fragte er nach diesem oder jenem, erhielt er zur Antwort: „Ist nicht angekommen“ oder „Wurde nicht mehr gesehen“.
    Einen halben Tagesmarsch von Breisach entfernt, entschloss sich der König, einen Erkundungstrupp unter Führung des Grafen Raban vorauszuschicken. Von den Bischöfen hatte er keine genauen Angaben über die Größe der Heere Ludwigs und Eberhards erhalten können. Es war nur von gewaltigen Massen Kriegsvolks die Rede gewesen, das auf beiden Seiten des Rheins lagerte. In der Erwägung, seine in den letzten Tagen stark geminderten Kräfte könnten einem Zusammenprall mit solchen Massen vielleicht nicht standhalten, hielt Otto Vorsicht für angebracht. Sein ursprünglicher Plan, aus dem Marsch heraus eine Schlacht zu liefern, die überraschende Wirkung seines Erscheinens zu nutzen, mit seinem gepanzerten Haufen alles niederzureiten, konnte sich als selbst gestellte tödliche Falle erweisen.
    Am nächsten Tag kehrte Graf Raban zurück – mit einer Nachricht, die der König am allerwenigsten erwartet hatte.
    „Herr“, rief der hurtige, immer von Tatendrang sprühende Sachse, aus dem Sattel gleitend. „Ob Ihr es mir glaubt oder nicht: Die Westfranken sind nicht mehr da!“
    „Nicht mehr da? Bist du sicher?“
    „Ich schwöre es Euch! Die sind abgezogen!“
    „Und du bist wirklich bis Breisach vorgedrungen?“
    „Glaubt es mir! Die Festung habe ich mir genau angesehen. Sie liegt mitten im Fluss, auf einem Hügel, ein schöner Anblick, so etwas sieht man nicht oft. Wahrhaftig, da drinnen muss man sicher sein!“
    „Und draußen … am Rheinufer? Nichts?“
    „Nichts, Herr, alles kahl. Alles leer und verlassen. Aber man konnte noch sehen, dass da ein Heer gelagert hatte. Niedergebrannte Feuerstellen, Haufen von Tierknochen, zertrampelter Boden …“
    „Du sagst, die Westfranken … Und Eberhards und Giselberts Leute?“
    „Am anderen Ufer lagern sie nicht. Aber sie könnten noch in der Festung sein, dort ist sicher ausreichend Platz für ein Heer. Ein |276| paar Bauern, mit denen ich sprach, schimpften nur auf die Banden aus Franzien, die ihnen das Vieh weggetrieben hatten, die aber nun zum Glück wieder fort sind.“
    „Wieder fort? Seit wann?“
    „Seit vorgestern.“
    „Dann haben sie meine Botschaft erhalten“, murmelte Otto, „und Ludwig hat gleich das Weite gesucht.“
    Otto trug Raban auf, die Nachricht von der Flucht der Westfranken überall im Lager zu verbreiten. Er beriet mit den fränkischen Grafen die neue Lage und sie gelangten zu dem Schluss, dass die Drohung in der Antwortbotschaft des

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