Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Königs, vielleicht verstärkt durch einen Bericht des Bischofs Ruthard von der königlichen Heerschau, zu einem Zerwürfnis zwischen Ludwig und den drei anderen geführt haben musste. Wenn nicht zur Flucht, so hatten sich der junge Herrscher und seine Berater zu einem vorübergehenden taktischen Rückzug entschlossen. Daraus folgerte erstens, dass nun die Streitmacht der Gegner geteilt und damit geschwächt war. Und zweitens, dass Eberhard, Giselbert und Heinrich sich mit ihren Gefolgschaften noch in der Burg befinden mussten.
„So werde ich also die Festung Breisach belagern“, entschied der König nach diesem Kriegsrat. Er gab den Befehl, den Marsch fortzusetzen, um noch am Abend dorthin zu gelangen.
Die stolze Burg stand auf dem von den Römern einst als
mons brisiacus
, dem das Wasser brechenden Berge, bezeichneten Felsen, der sich mitten im Rhein erhob und den Strom an dieser Stelle teilte. Der von zwei Armen fließenden Wassers geschützte Burghügel war schon vor den Römern von den Kelten und nach ihnen den Alamannen als sicherer Fluchtpunkt genutzt worden. Da ein Angriff mit Widdern, Belagerungstürmen und Sturmleitern ausschied, konnte den starken Mauern nur ein Beschuss schwerer Katapultgeschütze etwas anhaben, über die das Reichsheer nicht verfügte. Otto musste sich also auch diesmal wieder der Methode bedienen, die er im Grunde bevorzugte: der auf eine längere Frist angelegten zermürbenden Belagerung. Durch einen stimmgewaltigen Mann ließ er zwar noch einmal die unverzügliche und bedingungslose Übergabe der Festung verlangen. Die Antwort von einem der Wachtürme war dann aber die erwartungsgemäße: Herzog Eberhard lehne das Ansinnen ab. Der Herzog habe jedoch nichts dagegen, wurde herüber gerufen, dass König Otto mit seinen Leuten den |277| ganzen Winter draußen auf den Rheinwiesen verbringe. Es werde ihm eine willkommene Unterhaltung sein, wenn vor seinen Augen ein ganzes Heer zugrunde gehe.
Der Hohn war nicht unbegründet. Kaltes, regnerisches Wetter hatte schon auf dem Marsch die Stimmung gedrückt und auch bei den Königstreuen für unmutiges Gemurmel gesorgt. Es war Mitte September – Zeit, in die heimatlichen Regionen zurückzukehren. Stattdessen musste unter großem Aufwand diese vollkommen vom Rhein umflossene Burg gegen jede Berührung mit der Außenwelt an beiden Ufern abgeschottet werden. Mit Fischerbooten und eilig hergestellten Flößen wurde ein Teil des Heeres auf die östliche Seite geschafft. Auch dabei verschwanden wieder einige Herren mit ihren Gefolgschaften. Zum Glück erschien endlich der lange erwartete Herzog Hermann von Schwaben mit einer Mannschaft, die die Verluste durch die Heeresflüchtigen einigermaßen ausglich. Dennoch blieb Grund zur Besorgnis. Die Männer hockten, sofern sie nicht auf Posten standen, zur Jagd gingen oder sonst zur Beschaffung von Lebensmitteln unterwegs waren, trübsinnig unter Regengetrommel in ihren Zelten, würfelten, tranken, redeten sich in Wut, stritten, wurden tätlich gegeneinander. Was mutete ihnen der König zu? Belagerungen, Belagerungen! Eine im drückend schwülen Sommer – und jetzt noch eine bei diesem Sauwetter! Waren sie ihm mit ihren Pferden und Waffen, in ihren teuren Rüstungen gefolgt, nur um in der Fremde umherzuziehen, zu warten und die Zeit totzuschlagen? Sollten sie irgendwann, vielleicht erst im tiefsten Winter, heimkehren, ohne noch einmal tüchtig Beute gemacht zu haben?
Am elften Tag der Belagerung gab es bei Sonnenaufgang einen Auflauf zwischen den Zelten. Männer der Wachmannschaft schleppten einen wassertriefenden, an der Schulter blutenden, fast nackten jungen Kerl herbei, den sie aus dem Fluss gezogen hatten. Ein Posten hatte ihn im fahlen Licht der Morgendämmerung entdeckt, als er schwimmend, die meiste Zeit aber tauchend den Burghügel zu erreichen suchte. Der Wächter rief ihn an und befahl ihm, ans Ufer zu kommen. Stattdessen aber pflügte er mit seinen langen Armen die Wellen noch kräftiger. Die ersten Pfeile, die vor und neben ihm Wasser aufspritzen ließen, konnten ihn noch nicht zur Aufgabe zwingen, er verschwand wieder unter der Oberfläche. Doch beim abermaligen Auftauchen traf der Schütze, der Schwimmer |278| schrie auf und hielt auf das Ufer zu. Der Pfeil hatte ihn nur gestreift, die Wunde war nicht tief.
Inzwischen waren mehrere Lagerinsassen, Leute vom Niederlahngau, die nach ihren Pferden sahen, aufmerksam geworden. Einer lief gleich zum Zelt ihres Grafen und weckte ihn. Kurzbold
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