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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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…“

44
    Tagsüber schien an diesem Septembertag die Sonne, doch gegen Abend zogen Wolken auf und es wurde plötzlich sehr kalt. Über dem Fluss hing eine Dunstschicht, die sich nach und nach zu Nebel verdichtete.
    Der einsame Mann, der am Ufer, von zwei Hunden begleitet, auf und ab schritt, verschwand immer wieder in den grauweißen Schwaden. Er ging vorgebeugt, den schmalkrempigen Hut tief in die Stirn gedrückt, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Seine Füße unter dem dunklen Mantel waren in der dicken milchigen Schicht über dem Boden unsichtbar.
    „Vielleicht verschwindet er bald dort im Nebel“, scherzte einer der Männer, die am Rande des Lagers beieinander standen und ihn aus der Entfernung von hundert Schritten beobachteten.
    „Und verwandelt sich in den Elbenkönig“, fügte ein anderer hinzu.
    |281| „Das dürfen wir uns nicht wünschen“, bemerkte ein Dritter. „Die Elben sind ein boshaftes Volk und unter seiner Regierung kann es mit ihnen nur schlimmer werden.“
    Die Männer lachten. Es waren Grafen und Burgherren, alle kamen aus Sachsen und Thüringen. Sie hatten sich, um von niemandem belauscht zu werden, auf der Wiese bei den Pferden zu einer geheimen Beratung zusammengefunden.
    „Das Wetter ist günstig“, sagte der starke, hoch gewachsene Graf Erich, der sie zusammengerufen hatte und meistens das Wort führte. „Wenn wir es tun wollen, muss es heute sein.“
    „Aber wir könnten uns im Nebel verirren“, gab ein Einäugiger, Graf Folkmar, zu bedenken. „Vielleicht sind die Westfranken noch in der Nähe, vielleicht auch Eberhard und Giselbert, und unversehens fallen sie über uns her.“
    „Was redest du?“, erwiderte Erich. „Wenn es so kommt, dann geben wir gleich zu erkennen, dass wir jetzt ihre Verbündeten sind. Aber seid unbesorgt, verirren werden wir uns nicht. Ich kenne mich in dieser Gegend aus, war schon mit König Heinrich hier. Ich führe euch geradewegs nach Sachsen zurück.“
    „Dazu ist es auch höchste Zeit“, stimmte der dicke Walram zu. „Jeder Verzug kann teuer werden. Fast alle meine Leute sind hier, meine Burg ist schlecht bewacht. Heinrich hat mir gedroht, er wird sie in Schutt und Asche legen, wenn er das nächste Mal kommt.“
    „Das muss ich auch befürchten“, seufzte der alte Thüringer Immed, der Vater des wortgewandten Dadi. „Aber ich meine, wir könnten dem König auch in aller Offenheit sagen, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als ihn zu verlassen und uns jetzt um unsere eigenen Angelegenheiten zu kümmern.“
    „In aller Offenheit?“ Uhtrad, ein untersetzter, finster blickender Schwarzbart, lachte auf. „Und wenn er dich dann an deinen Eid erinnert, wirst du schnell wieder in die Knie gehen.“
    „Ja, das würde die Schwächeren unter uns nur in Versuchung führen“, stimmte Graf Erich zu. „Lasst uns so handeln, wie wir es in unserer Schwureinung immer getan haben – unabhängig, nur uns selbst verantwortlich, auf gemeinsamen Beschluss. Die Sache des Königs ist verloren, auf Prinz Heinrich ist kein Verlass. Er meldet sich nicht, wir wissen nicht, wo er sich aufhält. Sein Gold und seine anderen Geschenke haben uns nur in Schwierigkeiten gebracht. Zum Teufel mit dieser Familie, den Nachkommen Liudolfs – lange |282| genug haben sie uns Sachsen und Thüringer beherrscht und uns für ihr eigenes Heil benutzt. Vertrauen wir lieber uns selbst, erinnern wir uns der alten Sachsentugenden. Misslingen kann es nicht. Wer sollte uns aufhalten? Die Schwaben? Die fränkischen Grafen? Die sind zusammen nur halb so viele wie wir.“
    „Sollen sie nur unter sich bleiben“, sagte der Einäugige erbittert. „Wenn Kurzbolds Leute nicht das Verhör belauscht und geplaudert hätten, wüssten wir nicht einmal, wie es da drinnen, in der Festung, aussieht. Wir Dummköpfe brauchten das ja nicht zu erfahren.“
    „Die Franken halten sich immer noch für die Herren im Reich“, grollte Uhtrad. „Und dafür liebt sie der König noch und schmeichelt ihnen. Sollen sie mit ihm untergehen!“
    „Wir sind uns also einig!“, sagte Graf Erich. „Sobald es dämmert, ziehen wir ab. Gebt die nötigen Befehle, aber passt auf, dass die anderen nicht zu früh aufmerksam werden. Alles muss schnell gehen, damit sie nicht doch noch versuchen, uns zurückzuhalten. Vor allem darf
er
nichts merken! Wo ist er denn?“
    Sie wandten die Köpfe und spähten hinüber zum Fluss.
    Der Mann, der im Nebel watete, war verschwunden.
     
    Als Otto ins Lager

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