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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Späße, weil er nur schlecht zu Pferde sitzt und nicht mehr kriegstüchtig ist. Er soll auf der anderen Seite des Rheins, in einem Kloster, zurückgeblieben sein. Herzog Eberhard will König im Ostreich werden und die Sachsen entmachten. Der Herzog der Lothringer hat auch seine Pläne. Er hat – ich weiß nicht warum – eine Wut auf den König der Westfranken, den er einen unreifen angelsächsischen Lüstling nennt. Dabei soll er ihm in Verdun den Treueid geschworen haben. Doch den will er brechen, sobald König Otto am Ende ist. Dann, glaubt er, kann er das aufgenötigte Bündnis mit dem Grünschnabel gleich wieder lösen. Dann will er sich von seinen Großen zum König wählen lassen.“
    Der Priester sprudelte noch mehr von dem, was er aufgeschnappt hatte, heraus und schloss dann: „Über all das redeten die Männer im Lager. Die beiden Herzöge, hieß es, seien früher keine Freunde gewesen, jetzt aber sollen sie unzertrennlich sein. Ich sah spät am Abend noch selbst, wie sie Arm in Arm, jeder seinen Becher in der Hand, zwischen den Feuern umher torkelten, und wo sie vorbei kamen, schrien die Männer: Heil, König Eberhard! Heil, König Giselbert! Und dann verkündeten die beiden noch, sie hätten gerade |293| ein Bündnis geschlossen und das werde ewig halten. Dabei fielen sie einander ins Wort, küssten sich und mussten sich gegenseitig stützen, sonst wären sie in ihrer Trunkenheit umgefallen.“
    „Gute Nachrichten sind das!“, sagte der kleine Graf Kurzbold. „Sie sind leichtsinnig, zügellos, unachtsam, übermütig. Halten sich schon für die neuen Herren im Reich. Trotzdem … kein Grund, schon siegessicher zu sein. Du sagst, morgen früh wollen sie aufbrechen?“
    „Eine Vorhut wird schon unterwegs sein. Sie haben ja an die vierzig, fünfzig Wagen mit Beutegut. Damit geht es nur langsam voran. Die meisten brechen erst morgen auf, dann sind sie übermorgen am Rhein. Sobald sie drüben sind, in Andernach, soll alles verteilt werden. Jedenfalls hab ich es so verstanden. Herr Aimo bleibt ihnen auf den Fersen, er wird Boten schicken, falls sie ihre Absichten ändern. In Andernach, sagten einige, soll es eine große Siegesfeier geben.“
    „Dann wird es Zeit für uns, dorthin aufzubrechen“, sagte Graf Kurzbold fröhlich. „Damit wir zu ihrem Empfang bereit sind und den Tanz nicht versäumen!“

46
    Gaius Julius Caesar ließ im Jahre 55 v. Chr. bei Andernach innerhalb von zehn Tagen eine Brücke über den Rhein errichten. Der römische Feldherr und Eroberer Galliens benötigte sie, um 25   000 Legionäre und 6000 Reit- und Lasttiere auf das östliche Ufer zu schaffen. Mit Schiffen zu übersetzen, schien ihm, wie er in seinem Bericht
De bello Gallico
schreibt, nicht sicher genug und er glaubte auch, „dass dies seiner und des römischen Volkes Würde nicht angemessen“ sei. Mit der in unglaublich kurzer Zeit errichteten Brücke, dieser Schaustellung römischer Macht und Leistungskraft, wollte er aber vor allem die dort siedelnden Germanen das Staunen und Fürchten lehren. Er begnügte sich dann mit der Zerstörung einiger Weiler des widerspenstigen Stammes der Sugambrer und und zog sich nach achtzehn Tagen auf die westliche Seite des Flusses zurück. Als der letzte Römer auf dem Rückmarsch die Brücke überquert hatte, ließ er sie unverzüglich abbrechen.
    |294| Knapp ein Jahrtausend später näherten sich die Herzöge Eberhard und Giselbert mit ihren Gefolgschaften und ihren hoch beladenen Lasttieren und Wagen dem Rhein, um bei Andernach zu übersetzen. Jetzt aber gab es hier keine Brücke. Wären sie imstande gewesen, eine zu bauen, wenn auch vielleicht nicht in zehn Tagen, hätte es beim Übergang wohl keine Schwierigkeiten gegeben. So aber mussten sie Schiffe benutzen und deshalb auch mit Verzögerungen und Unwägbarkeiten rechnen.
    Sie rechneten auch nicht mit den Grafen Konrad Kurzbold und Udo.
    Kaum hatten die beiden den Bericht des Priesters Drogo gehört, hoben sie das Lager in Arnfrieds Motte auf und begaben sich mit ihren Gefolgschaften in einem ununterbrochenen Tag- und Nachtritt zum Rhein. Sie erreichten den Fluss noch, ehe die Vorhut der Herzöge eintraf. Im trüben Morgenlicht des ersten Oktobertags gewahrten sie schließlich am anderen Ufer die Türme und Mauern des einstigen römischen Kastells, das die Merowinger zur
villa regia
und die Karolinger zur Pfalz umgewandelt hatten, umgeben von einer offenen Siedlung. Im Flusshafen lagen zahlreiche Boote.
    Auf dem Ostufer gab es

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