Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
verwickeln. Er röstete sie so lange auf dem Grill ihrer Schuldgefühle, bis ihnen nichts anderes übrig blieb, als in Tränen auszubrechen, auf die Knie zu fallen und für ihre Verirrung um Vergebung zu winseln. Diese gewährte er im Allgemeinen. Doch einige von denen, die bereits in Saalfeld dabei waren, verloren ihre Lehen. Mehreren Geistlichen und Klostervorstehern, die ihn auf Anstiften Erzbischof Friedrichs schon vor der Ankunft bei Breisach verlassen hatten, entzog er Pfründen und Privilegien.
Eines Tages – es war schon gegen Ende Oktober – erschien auch der Mainzer Erzbischof selbst in Ingelheim. Als er aus seinem Wagen kletterte, erschraken alle, die ihn kannten, über sein gespenstisch anmutendes Aussehen. Die langen dunklen Gewänder schlotterten um seine dürre Gestalt, sein Gesicht unter der Krempe des tief in die Stirn gezogenen Reisehutes war spitz und blutleer. Man sah ihm an, dass er schlimme Tage hinter sich hatte.
|317| Nachdem er wegen seines gescheiterten Vermittlungsversuchs von Otto in Ungnade entlassen worden war, hatte er versucht, zu den aufständischen Herzögen oder zu König Ludwig und seinem Reimser Amtsbruder Artaud Verbindung aufzunehmen. Hierhin und dorthin eilend, hatte er sie an verschiedenen Orten des Herzogtums Lothringen gesucht, doch war er immer zu spät gekommen und hatte sie verfehlt. Dann erfuhr er vom Tode Eberhards und Giselberts bei Andernach. Der Schlag traf ihn hart, denn er wusste nun, dass damit auch ihre Sache, die er zu seiner eigenen gemacht hatte, verloren war. Eine Woche lang lag er krank darnieder, dann aber raffte er sich auf und fand, dass es das Beste war, erst einmal zu seinen geistlichen Pflichten nach Mainz zurückzukehren. Dort wollte er sich ruhig verhalten und abwarten, wie sich der Kampf um Lothringen zwischen den Königen Otto und Ludwig entwickeln würde.
Doch die Mainzer ließen ihn nicht in die Stadt. Die Grafen Udo und Konrad Kurzbold waren bei der Verfolgung der Herzöge hier durchgekommen und hatten den Erzbischof angeklagt, nicht unparteiisch vermittelt, sondern die Aufrührer begünstigt und den Zwiespalt zwischen ihnen und dem König vertieft zu haben. Die Verhandlungen vor dem Stadttor verliefen ergebnislos. Die Mainzer verlangten, dass sich Friedrich dem König stellte. Erst wenn dieser zustimmte und ihn von seiner Schuld entlastete, wollten sie ihn wieder aufnehmen.
Nachdem er eine schlaflose Nacht betend und unter qualvoller Selbstbefragung im Hause eines frommen Mannes in der Vorstadt verbracht hatte, begab sich der Erzbischof am nächsten Morgen schweren Herzens nach Ingelheim.
Als höchstrangiger Geistlicher im Reich verlangte er, unverzüglich vor den König geführt zu werden. Doch erst am vierten Tag nach seiner Ankunft ließ ihn Otto vor seinen Richterstuhl rufen.
Friedrich hatte sich auf diesen Augenblick vorbereitet. Zunächst verteidigte er sich beredt und nicht ungeschickt. Otto beschuldigte ihn, sich als
mediator
parteilich und feindselig verhalten zu haben. Der Erzbischof erwiderte auch jetzt, die andere Seite habe so hartnäckig auf ihren Forderungen bestanden, dass alle seine Bemühungen, mehr zu erreichen, vergebens gewesen seien. Dann zählte er Zugeständnisse auf, die er den Gegnern des Königs zuvor in zähen Verhandlungen abgetrotzt haben wollte. Seinen Eid auf die Heilige |318| Schrift, den ausgehandelten Vertrag auf der anderen Seite durchzusetzen oder sich zu der Partei zu bekennen, die ihn guthieß, habe er, wie es Brauch sei, geleistet und danach gehandelt.
Otto hörte schweigend zu und unterbrach ihn nur selten. Schon glaubte der Erzbischof, dass seine Sache auf gutem Wege sei. Doch dann wurden Zeugen gerufen, deren Aussagen keinen Zweifel an seiner königsfeindlichen Gesinnung ließen. Bemüht, sich selbst in günstiges Licht zu setzen, bestätigten Bischöfe, Äbte, Prioren und einige weltliche Herren einmütig, Friedrich habe in jener Nacht, als er von Zelt zu Zelt ging, den König verleumdet und alle aufgefordert, den so gut wie Besiegten zu verlassen. Damit war seine Sache verloren. Otto verurteilte den an Prunk, Bequemlichkeit und Gesellschaft gewöhnten Prälaten zur Verbannung auf die fuldische Besitzung Hamelburg, einen trostlosen, weltabgeschiedenen Ort, wo er in einer kahlen Mönchszelle den Winter mit frommen Übungen verbringen sollte.
Er verbannte auch Bischof Ruthard von Straßburg und stellte ihn unter die Aufsicht der Mönche von Corvey.
Nachdem er die Urteilssprüche gegen die
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