Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
drinnen war, ist mausetot.“
„Gott im Himmel, wer hat das getan?“, rief Edgith.
„Du fragst noch, Schwägerin? Die Franken! Eberhard war das, der Frankenherzog.“
„Er selbst?“, fragte Otto.
„Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall steckt er dahinter.“
„Dieser gottlose Wüterich!“, ereiferte sich die Königinmutter. „Du, Odda, hast ihn ja meistens in Schutz genommen. Ich habe dir immer gesagt, dass dieser Konradiner nur eines im Sinn hat: Rache. Weil er damals, bei der Eresburg, von deinem Vater geschlagen und gedemütigt wurde. Wenn Eberhard …“
|51| Otto schnitt ihr mit einer schroffen Geste das Wort ab.
„Was war der wirkliche Grund?“, fragte er Heinrich.
„Bruning will als sächsischer Edeling nur seinem sächsischen König untertan sein, nicht einem fränkischen Herzog. Aber sein König hat ihn im Stich gelassen.“
„Ich wusste doch gar nichts davon!“, sagte Otto heftig.
„Ein König muss alles wissen und überall sein“, belehrte ihn seine Mutter. „Dein Vater ließ sich nie überraschen. So etwas wäre ihm nicht passiert. Er zeigte ihnen, wer Herr im Hause ist. Zeigst
du
es ihnen? Statt ein wachsames Auge auf deine Gegner zu haben, streitest du hier mit Baumeistern über Türmchen und Säulen. Statt einen Herzog einzusetzen, der mit starker Hand unser Sachsen regiert, während du dich um Reichsangelegenheiten kümmerst …“
„So schweig doch, Mutter! Ich selbst bin Herzog von Sachsen, ein anderer wird nicht benötigt. Wir werden den Fall auf dem Hoftag behandeln. Du, Heinrich, ruf mir den Bruning her, ich muss vorher mit ihm reden. Im Übrigen aber halte den Mund! Und keine Feindseligkeiten, bevor alles aufgeklärt ist und ich die Sache entschieden habe!“
Er ergriff Edgiths Arm und sie gingen hinüber zum Palatium, wo sie die Freitreppe hinaufstiegen.
„Deine Mutter leidet, deshalb ist sie so unwirsch“, sagte die Königin, als sie außer Hörweite waren. „Nichts gefällt ihr, was wir hier tun. Wenn ich nur wüsste, wie ich sie aufheitern könnte.“
„Spar dir die Mühe“, erwiderte Otto. „Es wird nicht gelingen. Wir haben jetzt auch andere Sorgen.“
Frau Mathilde, die den beiden nachblickte, sagte zu ihrem siebzehnjährigen jüngeren Sohn: „Ich fürchte, er hat bemerkt, dass ich die Neuigkeit schon kannte. Aber das macht nichts, es ändert ja nichts an der Tatsache, die gerade recht kommt. Eine ganze Burg niedergebrannt, viele Tote. Wenn das nichts bewirkt! Noch sträubt er sich, doch ich bin sicher, bald haben wir ihn so weit. Er muss einen Herzog von Sachsen ernennen oder zumindest eine neue Markgrafschaft einrichten. Und nur du kommst für solche Ämter in Frage … nur du, mein Liebling. Ich sähe dich lieber auf dem Thron, doch daran ist nicht zu denken, im Augenblick jedenfalls nicht. Aber du wirst
a rege secundus
sein, der zweite Mann der Regierung, das verspreche ich dir.“
„Ich liebe dich, Mutter“, hauchte Heinrich, wobei er den Lockenkopf niederbeugte und ihr die Hand küsste.
|52| 7
Die Nachricht von der zerstörten Sachsenburg im Hessengau kam König Otto höchst ungelegen. Der Hoftag in Magdeburg sollte ein schönes, erhabenes Fest werden und aller Welt zeigen, dass die im Vorjahr in Aachen zelebrierte Eintracht der Stämme keine Ausnahme war und dass er als Neuling auf dem Thron das Reich zu regieren verstand. Zunächst hoffte er noch, sein jüngerer Bruder, dessen dramatischer Auftritt, wie er sogleich bemerkt hatte, mit der Mutter verabredet war, könnte den ärgerlichen Vorfall übermäßig aufgebauscht haben. Vielleicht handelte es sich nur um eine der immer noch allzu häufigen Nachbarschaftsfehden. Wenn es so war, dann hatte es für den Ablauf des Hoftags keine Bedeutung und war ein leicht zu durchschauender Anlass, dem Bruder, der dort unten, im Grenzgebiet zwischen den Herzogtümern, mehrere Burgen besaß, ein Kommando zum Schutze Sachsens und ein Amt zu verschaffen. Seit ihrer Ankunft in Magdeburg lag ihm die Mutter in den Ohren, Heinrich zu geben, was ihm längst zustünde und ihn angemessen an seiner Macht beteiligen. Aber wie konnte er diesem unreifen, unberechenbaren Jüngling eine solche Verantwortung übertragen?
Es stellte sich allerdings bald heraus, dass Heinrich kaum übertrieben hatte. Zwar mochte die Schilderung des kleinen Edelings Bruning, der nicht lange auf sich warten ließ, diese und jene erfundene grausige Zutat enthalten, im Kern war sie glaubhaft. Es seien Eberhards Leute gewesen, bestätigte er,
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