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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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hier. Warum lädst du ihn nicht endlich zur Tafel?“
    „Es wird ja ein großes Festmahl geben, zur Eröffnung des Hoftags.“
    „Du willst immer nur Gero und Hermann Billung sehen … einer so wortkarg und langweilig wie der andere. Ich möchte den Herzog näher kennen lernen, bisher konnte ich nur wenige Worte mit ihm wechseln.“
    „Und schon fandest du ihn liebenwürdig und unwiderstehlich“, sagte der König missgestimmt.
    „Du bist doch nicht etwa auf ihn eifersüchtig?“, sagte Edgith auflachend. Doch dann blickte sie ihn aufmerksam an und fügte hinzu: „Zur Eifersucht hätte ich vielleicht eher Grund.“
    „Was soll das heißen?“
    „Ich habe sie heute gesehen. In der Kirche, im Gefolge deiner Mutter.“
    „Wen?“
    „Die Hevellerin, die Stiftsdame. Die Mutter deines Sohnes Wilhelm. Sie warf dir verstohlene Blicke zu.“
    „Davon habe ich nichts bemerkt.“
    |57| „Es waren sehr lebhafte Blicke. Sie hat große, ausdrucksvolle Augen. Auf jeden Fall sah es so aus, als suchte sie deine Aufmerksamkeit. Wären nicht deine Mutter und ich immer an deiner Seite gewesen, hätte sie wohl gewagt, dich anzusprechen.“
    „Ich wüsste nicht, was ich noch mit ihr zu schaffen hätte.“
    „Sie ist sehr schön und du hast sie doch einmal geliebt.“
    „Wie man als Sechzehnjähriger liebt. Es war vorbei, bevor ich dich zum ersten Mal sah.“
    „Ein großes Leid sprach aus ihren Blicken“, sagte Edgith nachdenklich. „Schwermut und Sehnsucht. Und wie könnte man das nicht verstehen. Die Heimat verloren, die Familie. Auch das Kind wurde ihr nun genommen … Sie hat etwas auf dem Herzen. Vielleicht solltest du sie empfangen und mit ihr reden.“
    Ein Hustenanfall schüttelte die Königin. Otto führte sie zu einer Polsterbank in der Ecke des Gemachs, die vor dem kühlen Abendwind, der von der Elbe herüber wehte, geschützt war. Er legte ihr auch wieder die Decke über die Knie.
    „Was habe ich für eine gute Frau“, sagte er und nahm ihre schmalen, blutleeren Hände in die seinen, die breit und warm waren. „Für alle hat sie Verständnis, für jeden setzt sie sich ein. Du bist mein bester Ratgeber, Edgith, auf den ich aber am wenigsten hören darf. Wie glücklich wäre man, wenn man mit so viel Güte regieren könnte …“

8
    Otto war fest entschlossen, eine Störung seines Hoftags nicht zuzulassen. Am nächsten Morgen ließ er den Frankenherzog durch seinen Kämmerer Hadalt für den Abend zur Tafel laden.
    Der silberhaarige stattliche Herzog erschien in Begleitung zweier Verwandter, die beide Konrad hießen, war fröhlich und aufgeräumt, hatte Scherzworte auf den Lippen, spendete freigebig Lobsprüche für die Damen. Damit gewann er noch mehr bei der Königin, allerdings nicht bei der Königinmutter, die in allen Konradinern Unholde sah und ihnen die alte Feindschaft gegen ihren verstorbenen Gemahl nachtrug. Mit abweisender Miene saß Frau Mathilde an der Tafel, nahm nur wenige Bissen zu sich, achtete |58| nicht auf das Geplauder des Herzogs und wechselte nur ab und zu ein paar Worte mit ihrer Schwester Bia, der Frau des alten Billungers Wichmann. Dieser war nicht mit am Tisch, er war zwar zum Hoftag in die Stadt gekommen, doch mied der Gekränkte die Nähe des Königs und hielt sich fast nur bei seinen Leuten auf. Auch Prinz Heinrich war abwesend. Nachdem er von der Einladung an den Herzog erfahren hatte, schimpfte der Jüngling auf den „Sachsenmörder“ und zog es vor, in einer Schänke am Elbufer mit Bruning und anderen Freunden zu zechen.
    Herzog Eberhard bemerkte sehr wohl die Kälte, die ihm an der Tafel des Königs von allen Seiten entgegenschlug. Er ließ sich aber nichts anmerken, war heiter und zungenfertig und weil allein die Königin ihn freundlich ermunternd ansah, wandte er sich vor allem an sie. Er äußerte seine Bewunderung für ihren Großvater, König Alfred, den Einiger Englands, und ihren erhabenen Bruder Aethelstan, den
rex totius Britanniae
. Er erkundigte sich auch nach ihren fünf anderen Brüdern und neun Schwestern und konnte zu ihrer Freude über eine von ihnen sogar mit einer Neuigkeit aufwarten. Edgiva, Edgiths jüngere Schwester, die sie vor acht Jahren bei ihrer Brautfahrt begleitet hatte und im Königreich Hochburgund dem Bruder des Herrschers vermählt worden war, hatte, so wollte der Herzog erfahren haben, einen Knaben geboren. Dies veranlasste ihn zu einer Betrachtung über das Mysterium von Tod und Geburt und beider Nähe unter einem Dache, denn fast

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