Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
mir sagt man, ich sähe aus wie ein als König verkleideter Spaßmacher.“
„Das bildest du dir nur ein. Kinder, geht spielen! Warum redest du so vor ihnen, Odda? Und immer diese Bemerkungen über ihre Großmutter … Ich bewundere sie. Alle bewundern sie. Hast du heute Morgen gesehen, wie sie den Armen an der Kirchentür spendete? Wie inbrünstig sie betete? Wie sie auf Knien lag und zum Himmel flehte? Mir kamen die Tränen bei diesem Anblick. Das ist Frömmigkeit, tief empfunden und wahr. Sie ist in deinem Reich die größte Zierde der Christenheit, sagt man.“
„Sagt Bischof Bernhard von Halberstadt.“
„Womit er Recht hat.“
Otto verzichtete auf eine Erwiderung. Seine Gedanken kehrten zu den Fragen zurück, die ihn vorher beschäftigt hatten. Er hob die Hand und gab den beiden Kammerfrauen, die über Handarbeiten saßen, ein Zeichen. Sie standen gehorsam auf und gingen hinaus.
|55| „Was soll ich nun mit diesem Herzog Eberhard machen, der uns beschenkt – ich hab ja von ihm einen prächtigen Sattel erhalten – und der vor drei Wochen eine Sachsenburg niedergelegt und ihre Insassen ermordet hat?“
„Ich mag es noch immer nicht glauben. Ich traue es ihm einfach nicht zu. Er ist so freundlich, so leutselig …“
„Ärgerlich ist bei der ganzen Geschichte, dass er die Leistungen fordern durfte, die Bruning verweigerte. Wenn auch Sachsen jetzt im nördlichen Hessengau sitzen, ist er dort immer noch Gaugraf. Kein Wunder, dass es zu Reibereien kommt … das sind unklare Verhältnisse. Doch sie bestehen seit Generationen und niemand hat etwas daran geändert. Solange mein Vater König war, hat sich Eberhard auch ruhig verhalten, seine Rechte kaum wahrgenommen. Warum tut er es jetzt? Als Bruning ihm Abgaben verweigerte, hätte er sich an
mich
wenden müssen! Ich bin der König – ich entscheide Reichsangelegenheiten! Stattdessen führt er sich auf, als gebe es gar keinen Herrscher in diesem Reich, als könne ein Herzog ganz nach Belieben, aus eigener Machtvollkommenheit strafen, wüten, brennen, morden, Burgen niederlegen! Und das sogar jenseits der Grenzen seines Herzogtums! Wenn ich ihm das durchgehen lasse, wird es mein Verderben sein. Denn andere werden dem Beispiel folgen. Und am Ende wird alles in Blut und Elend versinken!“
Der König sprang auf und ging, wie immer im Zorn, hin und her, die Hände auf dem Rücken knetend.
„Ich bitte dich, Odda, reg dich nicht auf“, sagte die Königin ruhig. Sie warf die Decke ab, erhob sich und legte die Hand auf die Schulter ihres etwas kleineren Gemahls. „Lass dich nicht zu etwas hinreißen, was sich nicht wiedergutmachen lässt. Du brauchst Herzog Eberhard und du selbst hast mir oft erklärt, was du ihm zu danken hast. Du hast dir schon so viele Feinde gemacht … Verschone wenigstens ihn, den Mächtigsten!“
„Ah, ich habe mir Feinde gemacht! Und es ist allein meine Schuld, dass manche – einige – mich ablehnen. Wie?“
„Das wollte ich damit nicht sagen. Aber bedenke: Die Bayern sind nicht gekommen. Der Schwabenherzog ist zu Hause geblieben. Nicht einmal dein Schwager, der Lothringer, ist hier … Nur Herzog Eberhard ist deiner Einladung – deinem Gebot – gefolgt und zum Hoftag erschienen. Zeugt das von schlechtem Gewissen? |56| Willst du es auf einen Bruch mit ihm ankommen lassen? Wie willst du ohne die Franken regieren?“
„Und ohne die Sachsen? Wie soll ich ohne meine Sachsen regieren? Ich habe Bruning befohlen, den Mund zu halten. Aber wird er das tun? Er wird überall aussprengen, was ihm passiert ist. Und die Sachsen werden sich fragen: Wird unser König, ein Sachse, sich das gefallen lassen? Kehren die Zeiten zurück, da die Franken über uns herfielen, die Zeiten Karls, den sie den Großen nennen und der am Ufer der Aller tausende Sachsen umbringen ließ? Wenn der König nichts tut und eine Untat wie die Zerstörung von Hellmern nicht ahndet, dann brauchen wir den König nicht mehr! Das werden die Sachsen sagen – und dann gnade uns Gott. Deshalb muss ich die Franken bestrafen!“
„Warum bist du so sturköpfig, Odda?“, sagte die Königin bekümmert. „Warum willst du Gewalt mit Gewalt beantworten? Du selbst hast gesagt, dass der Herzog anfangs durchaus nicht im Unrecht war. Die Sache ist ausgeufert, wahrscheinlich ohne sein Wollen. Ich traue ihm nicht zu, so grausam zu sein. Er erinnert mich an meinen Vater. Der war auch so unwiderstehlich, alle liebten ihn, besonders die Frauen. Der Herzog ist schon seit vorgestern
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