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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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gleichzeitig, vor sechs Wochen, sei ja der Onkel des Kindes, König Rudolf, gestorben. Zu dieser schon bekannten Tatsache steuerte er eine zweite Neuigkeit bei, die auch Otto aufmerken ließ und zu Nachfragen veranlasste. Die Witwe Rudolfs, Königin Berta, werde bereits heftig umworben. Von wem? Einem machtbesessenen Emporkömmling, Abenteurer und Frauenhelden, dem König Hugo von Italien. Es wimmele schon in Lausanne von seinen Gesandten und wie man höre, sei er selbst von seiner Hauptstadt Pavia aus unterwegs. Kein Zweifel, er werde den erst vierzehnjährigen Sohn und Nachfolger Rudolfs beiseite schieben (oder ihm Schlimmeres antun), das kleine Königreich am Genfer See mit der Provence und der Lombardei vereinigen und einen Machtblock im Süden der beiden Frankenreiche errichten. Eine gefährliche Entwicklung, fand der Herzog.
    Otto hörte nicht länger zu und versank, während er an seiner Wildschweinkeule nagte, in Nachdenken. Mit dem verewigten König |59| Rudolf war er, wie schon sein Vater Heinrich, in gutem Einvernehmen gewesen. Die erwarteten Reliquien des heiligen Innozenz hatte der Todkranke auf dem Sterbelager seinem nördlichen Nachbarn für das Mauritius-Kloster in Magdeburg gespendet. Noch waren sie nicht eingetroffen. Und würde Rudolfs Witwe jetzt immer noch Ottos Bitte willfahren, ihren Sohn, den jungen König, die Translation selbst leiten zu lassen? Sie hatte jetzt einen Freier, den König Italiens. Was hatte der vor? Würde er sich als Enkel König Lothars II., wenn auch aus illegitimer Verbindung, zum Erben der Karolinger erklären und nach Norden in Ottos Reich, ins lothringische Elsass vorstoßen? Wer konnte das verhindern? Der Knabe auf dem Thron? Der war selbst – damit hatte der Herzog Recht – in höchster Gefahr. Hugo würde ihn dort als sein Stiefvater nicht lange dulden …
    Otto bedachte dies alles zwischen zwei Gängen des Mahls und zog den Schluss, dass er wohl handeln musste. Eile war nötig, wenn es nicht schon wieder an einer der empfindlichen Grenzen des Reiches, diesmal im Süden und Westen, Unruhe, vielleicht Krieg geben sollte. Er säuberte sich die Hände mit Brot und beobachtete dabei den Herzog, der weiterplaudernd noch immer bei König Hugo war und sich genüsslich dessen sechs Ehen vornahm, besonders die letzte mit der berüchtigten Papsthure Marozia. Otto wurde jetzt klar, dass Eberhard das Gespräch mit einer leicht durchschaubaren Absicht auf dieses Thema gelenkt hatte. Mag ich schuldig sein und eine Sachsenburg zerstört haben, sagte der Herzog sich schlau, wie soll der König bei einem Feldzug gegen den gut gerüsteten Hugo ohne mich und mein fränkisches Kriegsvolk auskommen? Kann er sich in dieser Lage erlauben, über den Herzog der Franken ein Strafgericht zu halten?
    Ohne Zweifel, so dachte der silberhaarige Eberhard, und je länger er bei Tische saß, desto gelöster war seine Haltung, desto munterer wurde seine Laune. Mit seinem Talent, sich jedermann angenehm zu machen, hatte er nach und nach die meisten der eisigen Mienen aufgetaut, mit denen er empfangen worden war. Was er erzählte, war ja auch unterhaltsam. Wer hörte nicht gern von Leuten, die sich trotz ihrer hohen Würde und herausgehobenen Stellung unter den Menschen heimlich oder sogar offen niederen Leidenschaften hingaben. Die Königinmutter war allerdings nicht gesonnen, die Geschichten des fränkischen Gastes, die sie für Verleumdungen |60| hielt, über sich ergehen zu lassen. Brüsk stand sie auf und nötigte ihre Schwester und zwei andere Damen des Hofes, mit ihr hinauszugehen. Königin Edgith, von ihrem Husten geplagt, hatte sich schon vorher zurückgezogen.
    Otto kannte die Geschichten von den römischen Ärgernissen, doch hütete er sich, für ihre Verbreitung zu sorgen. Er brauchte die katholische Kirche und so lag ihm nichts daran, ihre Vertreter öffentlich herabzusetzen, mochten nicht wenige schwach, verdorben und schuldig sein. Das Geschwätz des Herzogs missfiel auch ihm. Bevor er jedoch das Tischgespräch in eine andere Richtung lenken konnte, war Eberhard zum verstorbenen König Rudolf zurückgekehrt und berichtete prahlerisch ein an dessen Seite bestandenes Jagdabenteuer. Es trat auch ein Diener zu Otto, um ihm die Ankunft eines Boten aus der Pfalz Werla zu melden.
     
    Als der König nach einer Weile in die kleine Halle zurückkehrte, drückte sein breites, gerötetes Gesicht Zufriedenheit aus. Den Tischgenossen fiel der schroffe Wechsel von der Missstimmung auf, die sie vorher

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