Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Eberhard widerwillig, aber beherrscht „Wäre ich nur dabei gewesen! Als Gaugraf hatte ich Abgaben einzufordern. Bruning schloss vor meinen Beauftragten das Burgtor, beschimpfte sie und ließ sie von der Mauer aus mit Pfeilen und Lanzen beschießen. Als meine Leute in ihren Reihen Verluste bemerkten, griffen sie zu den Waffen. Die Burg war so schlecht gesichert, dass sie leicht zu erstürmen war. Über die ungerechte Behandlung empört, vergaßen sich meine Männer. Ich bedauere, dass Unschuldige zu Schaden kamen.“
„Hatte Euch Bruning den Lehenseid geleistet?“
„Selbstverständlich.“
„Er bestreitet es.“
„So lügt er.“
Otto ging wieder, den Blick am Boden, die Hände auf dem Rücken verschränkt, auf und ab. Dann blieb er vor Eberhard stehen und sagte: „Wir kennen Eure Verdienste, Herzog, und vergessen sie nicht. Ihr habt Eure Befugnisse überschritten und die Untaten Eurer Leute nicht verhindert. Wir wollen das aber nicht weiter untersuchen. Ich bin zu einer gütlichen Übereinkunft bereit. Wenn Ihr eine Buße zahlen wollt …“
|63| „Und was verlangt Ihr?“
Otto schwieg einen Augenblick und dachte nach.
„Wir brauchen Pferde“, mischte sich Hermann Billung ein. „In dem Gefecht mit den Magyaren haben wir mindestens achtzig verloren.“
„Ja“, sagte Otto, „das ist ein großer Verlust. Mit hundert Pfund Silber wäre er wiedergutzumachen.“
„Hundert Pfund Silber?“, rief der Herzog.
„Dafür bekommt man achtzig gute, zugerittene, zum Gefecht geeignete Pferde. Bedenkt, dass die Sachsen allein die Magyaren abwehren mussten. Sie schützten damit auch das Herzogtum Franken. Darf man dafür ihre Burgen zerstören?“
„Nun gut“, sagte der Herzog mit einer Miene, als lenkte er großmütig ein, obwohl er sich ungerecht behandelt fühlte. „Ich will das als Beitrag des Herzogs der Franken zur Abwehr der Steppenräuber betrachten. Ihr seid doch damit einverstanden, dass ich die Tiere gleich hier in Magdeburg auf dem Pferdemarkt auswähle?“
„Dagegen ist nichts einzuwenden.“
„Aber versucht nicht, uns alte Klepper anzudrehen“, knurrte Gero.
„Wenn es Euch recht ist“, wandte sich Hermann Billung an den König, „werde ich den Herzog bei der Auswahl beraten.“
„Auch ich verstehe etwas von Pferden“, sagte einer der beiden Begleiter Eberhards, Graf Konrad vom Niederlahngau, der wegen seiner Kleinwüchsigkeit den Beinamen Kurzbold trug. An der Tafel hatte er mürrisch geschwiegen und seinen Vetter, den Herzog, reden lassen. Jetzt aber drängte es ihn, sich zu äußern, er trat hinter Eberhard hervor und fügte hinzu: „Ich war, das wisst Ihr ja, ein Freund Eures Vaters, König. Franken und Sachsen – das sind zwei Schneiden desselben Schwertes. Und so soll es bleiben. Verlasst Euch auf mich.“
„Das höre ich gern, Graf“, sagte Otto. „Und du?“, wandte er sich an den anderen Konrad, einen dunkelhaarigen, rotwangigen Jüngling mit kaum sprießendem Bart, der sich bescheiden im Hintergrund hielt. „Bist du auch dieser Meinung?“
„Oh ja, das schwöre ich!“, stammelte der junge Mann, wobei die Farbe seiner Wangen in sattes Dunkelrot überging.
„Wer bist du eigentlich?“
„Ich bin … ich will Graf im Speyergau, Wormsgau und Nahegau werden.“
|64| „Na, so ein Teufelskerl. Wie alt?“
„Sechzehn Jahre.“
„Ihr wisst wohl, sein Vater ist kürzlich gestorben“, erklärte Kurzbold. „Er ist ein tapferer, kluger Bursche. Wir nennen ihn den Roten – Ihr seht ja warum.“
„Ich sehe es“, sagte der König.
Alle lachten. Die Spannung löste sich.
Wenig später verabschiedeten sich die Franken, Herzog Eberhard mit einem säuerlichen Lächeln, die beiden anderen mit geradem Blick und festem Händedruck.
„Mit den Konraden habe ich heute Glück“, sagte Otto zu Hadalt, Gero und Hermann Billung, als sie später unter sich waren und noch einen letzten Becher tranken. „Wollt ihr wissen, was mir der Bote gemeldet hat? Die Abordnung aus dem Königreich Hochburgund ist schon in der Pfalz Werla eingetroffen und spätestens übermorgen hier. Zwei wichtige Männer sind dabei, ein sehr alter und ein sehr junger. Der Alte ist schon über fünfhundert Jahre tot, es ist der heilige Innocentius, den wir so sehnlich erwarten, unsere Reliquie. Der junge ist vierzehn Jahre alt und heißt ebenfalls Konrad. Es ist Konrad von Hochburgund, der neue König, von den Großen gewählt! Er leitet persönlich die
translatio
, wie ich es wünschte. Was sagt
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