Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
gewährt, nachdem feste Vereinbarungen zur Behebung des entstandenen und zur Vermeidung künftigen Schadens getroffen wurden. Hier gab es nichts mehr zu verhandeln, denn vor den Augen und Ohren von fünfhundert Männern beider Stämme, darunter den vornehmsten, war das alles bereinigende Ritual gleich vollzogen worden.
    So verhehlte sich Otto nicht, dass sich im Grunde nichts geändert hatte und die Feindschaft, die Herzog Eberhard gegen ihn hegen musste, unter beiderseits geheuchelter Freundschaft weiter schwelte. Der Zwang zur öffentlichen Demütigung musste dem Hass des Franken gegen ihn sogar neue Nahrung gegeben haben. Er selbst hätte eine andere – eine endgültige, notfalls gewaltsame – Lösung vorgezogen, zu der es früher oder später kommen musste. Als er die beiden Fürsprecher anfangs brüsk zurückwies, war dies noch seine feste Absicht gewesen. Doch angesichts des nach Bayern abmarschierenden Heeres wurde ihm wieder bewusst, dass er dazu keineswegs stark genug war, dass seine Lage sich nur vorübergehend gebessert hatte und dass es vorteilhaft sein würde, jetzt nicht im Rücken einen Widersacher, wenn auch einen geschwächten, zu haben. Um vollkommen sicher zu gehen, dass der Franke sich nicht etwa eine nochmalige erfolgreiche Abwehr der Königlichen in Bayern zunutze machte, um erneut abzufallen, verhängte er unmittelbar nach der
deditio
eine ehrenvolle Strafe gegen ihn. Er verurteilte den Herzog, die nächste – vorerst unbestimmte – |172| Zeit als Verbannter in der gut gesicherten Sachsenburg Hildesheim zu verbringen. Eine sächsische Truppe wurde zu seinem Geleit und zu seiner Bewachung abkommandiert. Die fränkischen Reiter, die Eberhard mitgebracht hatte, verstärkten das Reichsheer und setzten sich mit den übrigen Sachsen in Richtung Regensburg in Bewegung.
    Die beiden Fürsprecher des Herzogs forderte der König auf, ihn nach Bayern zu begleiten. Erzbischof Friedrich zählte zwar nicht zu seinen Vertrauten, doch konnte er nützlich sein. Er galt als ein Muster an Frömmigkeit und bewies dies durch unausgesetzte Andachtsübungen. Sein Einsatz für den treubrüchigen Herzog war Otto allerdings allzu eifrig erschienen und hatte seinen Argwohn gegen den geschmeidigen Priester verstärkt. Friedrich bat, den Verbannten nach Hildesheim begleiten zu dürfen, wo er noch vor kurzem als Chorherr gewirkt hatte und Bekannte besuchen wollte. Dies verwehrte ihm der König. Die beiden auf eine lange gemeinsame Reise zu schicken, hielt er für bedenklich. Und der beredte Prälat würde ihm bei schwierigen Verhandlungen mit den Bayern zur Seite stehen und dabei seine Autorität als Erzkaplan des Reiches und Vertreter des Papstes einsetzen können. Das würde auch eine Gelegenheit sein, seine Aufrichtigkeit und Königstreue zu prüfen.
    Was Heinrich betraf, so hatte ihm Otto vollständig vergeben. Allerdings hielt er es für geboten, den Siebzehnjährigen eine Zeit lang unter Aufsicht zu behalten. Auch ihn wollte er in Bayern zur Anknüpfung normaler Beziehungen einsetzen. Noch zu Lebzeiten des alten Herzogs war Heinrich mit der Schwester des neuen, der vierzehnjährigen Judith, verlobt worden. Es galt, die Hochzeit des jungen Paars vorzubereiten. Sollte das nicht Liudolfinger und Luitpoldinger versöhnen?
    Otto war in hoffnungsvoller Stimmung, als er selbst mit der Nachhut nach Bayern aufbrach.

26
    Hadalt, der Kämmerer König Ottos, hockte, in seinen Pelz gehüllt, frierend und missmutig in einer Ecke im ersten Obergeschoss des Wohnturms der lothringischen Festung Chèvremont. Es war erst |173| Mitte Oktober, doch schon kündigte sich der Winter an. Kalte Winde und heftige Regenschauer umtosten den kegelförmigen Burghügel in der Nähe von Lüttich. Knechte hatten einige Kohlebecken heraufgetragen, doch deren Glut wärmte kaum und der Rauch, der von ihnen aufstieg, reizte die Augen. Seit drei Wochen wartete Hadalt, der als Gesandter gekommen war, in dieser unwirtlichen Umgebung darauf, endlich noch einmal von Herzog Giselbert empfangen und mit einer Antwort an den König entlassen zu werden.
    Am Tag seiner Ankunft hatte ihm der Verwalter des Burggrafen diesen kahlen Raum mit Tisch, Bank und ein paar Hockern, einer Reihe von Schlafstellen und einer Nische mit Altar und dem Bildnis der Gottesmutter zum Aufenthalt angewiesen. Er teilte ihn mit anderen weniger geachteten Gästen – Priestern, Pilgern und Anführern der Gefolgschaft des Herzogs. Die Mannschaft hatte ihr Quartier im Erdgeschoss des

Weitere Kostenlose Bücher